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Insel der Träumer

Insel der Träumer

Titel: Insel der Träumer
Autoren: Horst Hoffmann
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unterwegs gewesen, Mythor«, sagte der junge Recke. »Zuviel allein mit dir selbst und deinen Gedanken. Sonst wüsstest du, dass es für jeden hier die größte Sehnsucht ist, einmal den Ruf zu vernehmen. Wer ihn hört, folgt ihm.«
    »Welcher Ruf?«
    »Die Traumreise, Mythor. Jeder hier sieht es als seine Erfüllung an, einmal die Traumreise machen zu dürfen. Viele sprechen nur von dieser Sehnsucht, wenn der Wein ihre Geister in weite Fernen reisen lässt. Doch nur wenige sind auserwählt. Nilombur gehörte zu ihnen. Er ging und nicht allein. Auch Clydha und ihr Gefährte vernahmen in der Nacht den Ruf.«
    Mythors böse Ahnungen drohten plötzlich Gestalt anzunehmen, als könne er sie greifen, als ballten sich dunkle Schatten vor ihm zusammen, aus denen sich dämonische Grimassen schälten, die ihn verhöhnen wollten. Mühsam beherrscht fragte er: »Was ist das, Golad, die Traumreise?«
    Trauer und eine ungewisse Sehnsucht traten in den Blick des Recken, als er achselzuckend antwortete: »Das weiß niemand, Mythor. Aber alle sehnen sie herbei. Sie vernehmen den Ruf und folgen ihm.«
    »Wohin?«
    »Sie wissen es, wenn sie den Ruf vernehmen.«
    Mythor ballte die Hände. Sein Mund war trocken, und trotz der sengenden Mittagshitze fühlte er eisige Kälte in sich. »Und du, Golad? Wartest du auch darauf, gerufen zu werden?« presste er kaum hörbar hervor.
    »Ja, Mythor, ich sehne diesen Augenblick herbei.«
    »Ihr Lämmer!« schrie Mythor. Er ging zu den Lagern und zerrte die Teilnahmslosen in die Höhe. »Nichts anderes als Lämmer seid ihr alle! Wer schickt euch denn diesen Ruf, habt ihr euch das wenigstens schon einmal gefragt? Wer ruft euch, und wer gab euch dieses… Paradies?«
    Doch sie wandten sich von ihm ab und verließen die Hütte, alle außer Steinmann Sadagar.
    Mythor blickte ihn zornig an. »Und du?« fragte er. »Du gehst nicht mit zu ihnen?«
    Verlegen senkte der Steinmann den Blick. »Ich… Nun, ich…«
    Betroffen musste Mythor feststellen, dass offenbar auch der Freund schon diese Sehnsucht nach etwas in sich hatte, von dem niemand zu wissen schien, was es eigentlich war. Dann aber hatte er gar nicht von anderen von dieser Traumreise gehört, sondern das Wissen um sie kam aus ihm heraus, war in ihm. Und er selbst?
    Der Sohn des Kometen lauschte in sich hinein. Wenn es etwas gab, was sich in ihm breitzumachen versuchte, so war er jetzt viel zu erregt, um es aufzuspüren. Doch war da nicht hin und wieder diese seltsame Müdigkeit in ihm gewesen, der Wunsch, zu vergessen und sich treiben zu lassen?
    Sicher, er hatte mit Erfolg dagegen angekämpft und würde es immer wieder tun. Aber war dies der Beginn einer unheimlichen Beeinflussung?
    Mythor ließ den Steinmann stehen und trat aus der Hütte. Sadagar schrie auf und folgte ihm eilig. »Was hast du vor, Mythor? Du darfst dich nicht…«
    »Ich suche Nilombur!«
    »Mythor, das darfst du nicht!«
    »Warum nicht?«
    Mythor schritt weiter, und die gleichen Männer und Mädchen, die ihn eben stehengelassen hatten, saßen bei anderen und lächelten ihn an, als sei nichts gewesen.
    »Weil es gefährlich ist, Mythor!« sagte Sadagar beschwörend.
    »Gefährlich?« fragte Mythor mit bitterem Hohn. »Es gibt doch keine Gefahren auf Sarmara. Du siehst Gespenster.«
    Steinmann Sadagar blieb stehen und raufte sich die Haare. Als Mythor schon zwischen den Bäumen verschwunden war, rief er ihm nach: »Ich sehe keine Gespenster, aber du, du wirst an deiner eigenen Sturheit zugrunde gehen! Und überhaupt hätte ich nie mit dir gehen sollen, als wir uns…«
    »Ein sturer Hund«, pflichtete Chrandor ihm bei, der plötzlich hinter ihm stand. »Sturer als du, Freund Steinmann.«
    »Ach, was weißt du denn schon!« Sadagar sah sich hilfesuchend um, doch da war keiner, der aufstand und ihm anbot, Mythor zu folgen. Zwischen den Hütten standen noch die Körbe mit den Fischen. Der Steinmann ging hin und trat wütend dagegen. »Und Clydha ist auch gegangen! Wie viele noch in dieser Nacht?«
    Die Sitzenden sahen ihn nur an. Einer sagte ruhig: »Die meisten gehen in den Nächten vor dem Vollen Mond. Diese Nacht, nach dem Fest, werden es weitere sein. Vielleicht du, vielleicht ich – wer weiß es?«
    *
    Es war sinnlos.
    Mythor hatte die Insel etwa bis zu ihrer Mitte durchquert, war Pfaden gefolgt und tief in dichtes Unterholz eingedrungen, wenn er glaubte, dass abgeknickte Ästchen ihm den Weg wiesen, den Nilombur und die beiden anderen Verschwundenen genommen hatten. Doch nur
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