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Insel der Träumer

Insel der Träumer

Titel: Insel der Träumer
Autoren: Horst Hoffmann
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Mythor ging weiter, bis er die Stelle erreicht hatte, auf die die Pfähle zielten.
    In diesen Augenblicken empfand er keine Furcht, obwohl seine Hände so kalt waren wie der Stahl in seiner Rechten. Was nun kam, war ein Abwägen von Augenblicken, ein Spiel mit dem Tod, ein stummes Ringen, das alle geistige Kraft erforderte.
    Mythor stand bis zu den Fußknöcheln im Wasser. Sadagar war verstummt. Golad wollte Mythor zu Hilfe eilen, doch Farina hielt ihn fest. Rachamon stand, ebenfalls mit einem Schwert in beiden Händen, vor den Halteseilen der Katapulte, bereit, eines nach dem anderen auf Mythors Zeichen zu durchschlagen.
    Die Eingeschlossenen hielten den Atem an. Wie die Statue eines Kriegers stand Mythor im Wasser, das Schwert halb erhoben, den Blick starr auf die Tentakel gerichtet, die sich nun immer heftiger peitschend in die Höhe reckten.
    Mythor spürte, wie das Blut in seinen Schläfen hämmerte. Alles an ihm war angespannte Erwartung. Eiseskälte griff nach seinem Herzen.
    Die Fangarme wurden länger, schienen Fuß um Fuß aus dem Wasser zu wachsen, bis sie die Länge mehrerer ausgewachsener Männer erreicht hatten. Noch schienen sie ziellos durch die Luft zu schwingen, fürchterliche Arme einer blinden Kreatur. Der geistige Druck auf Mythor wurde fast unerträglich. Etwas wollte ihn dazu bringen, ins tiefere Wasser zu gehen. Der Krake war vorsichtig geworden.
    Mythor wusste, dass er dem Druck in seinem Schädel nicht ewig widerstehen konnte. »Komm endlich!« schrie er bebend. »Komm und hol dir deine Mahlzeit!«
    Seine Stimme hallte dumpf von den pechgetränkten Wänden wider. Gleichzeitig begann das Wasser zu schäumen. Wie eine kleine Insel tauchte etwas grau und triefend daraus auf. Unwillkürlich machte Mythor einen Schritt zurück. Und als habe er so ein Zeichen gesetzt, schossen zwei, drei Fangarme blitzschnell auf ihn zu.
    Mythor schrie auf und warf sich herum. Zwei der Tentakel peitschten wie die Sensen eines Riesen über ihn hinweg. Der dritte fand sein Ziel, riss Mythor mit schrecklicher Wucht die Beine unter dem Leib fort und wickelte sich um sein Fußgelenk.
    Der Sohn des Kometen schlug hart auf, fühlte, wie er davongezogen wurde, und nahm den Griff des Schwertes in beide Hände. Panik erfasste ihn. Wie besessen ließ er die Klinge auf den schleimigen Fangarm schmettern, immer und immer wieder. Schon schlugen die Wasser über seinen Beinen zusammen, und vor sich sah er das riesige rote Auge der Kreatur auftauchen.
    Angst und Verzweiflung verdreifachten Mythors Kräfte. Doch die Klinge prallte am Fangarm ab wie an einem magischen Schild. Mythor stieß den Stahl nun wie einen Dolch in den Tentakel. Zwei, drei Zoll tief drang er in das graue Fleisch ein. Ein Zittern durchlief den Fangarm. Die tödliche Umklammerung lockerte sich für die Dauer eines Herzschlags – lange genug für Mythor, um schnell den Fuß zurückzuziehen. Er kam auf die Beine. Wasser umschäumte seine Waden. Ein schauriges Kreischen wie aus tausend verstimmten Trompeten ließ die Planken der Schiffswände knirschen und bersten, als das Ungeheuer sich wie ein Berg aus grauem Fleisch vorwärts schob. Sadagar, Chrandor und Farina pressten die Hände an die Ohren. Golad stand verzweifelt da und suchte nach einer Möglichkeit, Mythor beizustehen, und sah, wie der Magier seinen Platz bei den Wurfmaschinen verließ und sich dem Kraken schreiend entgegenwarf.
    »Bleib hier!« schrie er. »Bei allen Göttern, komm zurück!«
    Rachamon hörte ihn nicht. Schon schnellten weitere Fangarme heran. Mythor wich zurück, um den nun blindwütig angreifenden Kraken weiter ins Schiff zu locken, bis er genau jene Stelle erreicht hatte, auf die die Bolzen zielten. Doch da war niemand mehr, der die Seile durchschlagen konnte. Mythor fluchte lautlos, als er Rachamon neben sich sah, mit dem Schwert um sich mähend wie einer, der gegen Luft kämpfte. Und der Magier lief weiter, bis ihm das Wasser bis zu den Hüften reichte. Das Riesenauge des Ungeheuers richtete sich wie feurige Glut auf ihn. Mythor konnte dem Magier nicht nachsetzen, ohne wieder in die Reichweite der Tentakel zu gelangen. Rachamon rannte in den Tod!
    In unbändigem Zorn schleuderte er die eigene Klinge nach dem glühenden Auge, in dem es bis zum Heft versank. Das Schiff schien unter dem entsetzlichen Kreischen der verletzten Kreatur auseinanderbrechen zu wollen. Der Boden schwankte unter Mythors Füßen, und er musste wild mit den Armen rudern, um sein Gleichgewicht zu
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