Insel der Träumer
genommen hatte.
»Freund Steinmann!« rief Chrandor. »Ausgeruht wird nicht. Wir…«
»Sei still!« sagte Mythor schnell. »Er will den Kleinen Nadomir rufen.«
»O nein! Nicht schon wieder!«
Sadagar schlug die Augen auf und legte die Ringe wieder an.
»Spar dir deine abfälligen Bemerkungen!« fuhr er den Piraten an. »Nadomir hat offenbar wieder wichtige Dinge im Karsh-Land zu tun. Er antwortet nicht.«
»Und wennschon!« gab Chrandor bissig zurück. »Selbst wenn es ihn gäbe, hätte er nichts gegen… gegen das dort in der Grotte ausrichten können.«
»Er wurde schon mit einem ganz anderen Gegner fertig«, sagte Mythor finster. »Und jetzt kommt endlich!«
*
Das letzte Stück legten sie schwimmend zurück. Die Sonne stand bereits tief im Westen, als die nun sechsköpfige Gruppe das Schiff erreichte, an einem tief ins Wasser reichenden Ruder bis zur Ruderbank kletterte und von dort auf das Deck. Nach einer kurzen Untersuchung schwanden endgültig alle im geheimen gehegten Hoffnungen, die mächtige Lichtfähre doch noch einmal seetüchtig machen zu können. Sie steckte zwischen zwei Klippen fest. Im Schiffsbauch klaffte ein Leck, durch das ein Mammut bequem hindurchgegangen wäre, und das eingedrungene Wasser hatte den Raum zur Hälfte geflutet. Glücklicherweise jedoch befanden sich die Kisten mit den Waffen im trockenen Teil.
»Aus den Wrackteilen ließe sich ein kleineres Boot zusammenbauen«, murmelte Rachamon versonnen.
»Das mag sein«, knurrte Golad, der seinen alten Groll auf den Magier trotz dessen Wandlung nur schwer abzulegen vermochte. »Aber wir können die Insel nicht verlassen. Wir sollten versuchen, uns mit den hier gelagerten Waffen so lange wie möglich zu verteidigen.«
Mutlosigkeit klang aus seinen Worten, das Ergebnis zu vieler Enttäuschungen, die er und Farina erleben mussten. Erschrocken erkannte Mythor, dass Golad offenbar schon wieder bereit war, die Erlösung zusammen mit Farina im Tod zu suchen.
Überall oben auf den Klippen standen die Jäger, Hunderte von ihnen. Einige waren bereits herab geklettert und warteten am Ufer darauf, dass die »Besessenen« das Schiff wieder verließen. Die Gasihara war zur tödlichen Falle geworden.
Doch plötzlich zeigte sich ein feines Lächeln auf dem scharfgeschnittenen Gesicht des Magiers. »Nicht unbedingt, mein Freund«, sagte er zu Golad. »Es steht nicht fest, dass wir hier gefangen sind.«
Mythor blickte ihn fragend an.
»Vielleicht ist es doch noch nicht zu spät für mich, meine Schuld abzutragen«, fuhr Rachamon gedehnt fort. »Während ich in meiner Höhle noch sicher vor den Trugbildern des Ungeheuers war, hatte ich Zeit, den Strudel zu studieren. Ich konnte die Wasserwirbel schließlich berechnen.«
»Und?« fragte Sadagar. »Was hast du herausgefunden?«
Mythor fragte sich, ob Rachamon bei Verstand sei oder ob der Einfluss des Kraken seine Sinne verwirrt habe. Doch der Magier sprach mit einer Klarheit, die ihm schließlich alle Zweifel nahm. Mit zunehmender Erregung hörte er, wie er sagte: »Zu gewissen Zeiten zirkuliert der Strudel in umgekehrter Richtung, also von der Insel weg. Dies geschieht aber nur sehr selten, und wir müssen uns beeilen, wenn wir diese nächste Phase ausnutzen wollen.«
»Wann?« fragte Mythor heftig. »Wann wird das sein, Rachamon?«
»Beim nächsten Vollmond.«
Sadagar schrie auf. »Aber der steht kurz bevor! Noch in dieser Nacht wird der Mond voll am Himmel stehen!«
»Ich sagte euch, wir müssen uns beeilen.«
*
Auch jetzt noch nahmen Sadagar und Chrandor die Ausstrahlungen des Kraken wahr und sahen trügerische Bilder. Und so zweifelte niemand an den Worten des Steinmanns, als dieser plötzlich ausrief: »Wir werden es nicht mehr schaffen! Er… er verlässt die Grotte und kommt hierher!« Bis dahin hatten die Gefährten in fieberhafter Eile damit begonnen, mit den an Bord gefundenen Werkzeugen aus den Wrackteilen ein Boot zu zimmern. Unbeschreibliche Gefühle beherrschten Mythor. Plötzlich war wieder all das in greifbare Nähe gerückt, was ihm für immer verschlossen gewesen war. Der Weg nach Logghard, zum letzten Fixpunkt des Lichts, wohin Luxon mit Sicherheit schon unterwegs war. Mythor konnte wieder hoffen, bei der entscheidenden Schlacht um die Ewige Stadt dabei zu sein. Und Fronja! Sie wartete auf ihn, irgendwo! Sie galt es zu finden, sie und seine Bestimmung. Der Gedanke daran, diese in weite Ferne gerückten Ziele nun doch noch erreichen zu können, spornte den Sohn des
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