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Insel der Nyx: Insel der Nyx, Die Prophezeiung der Götter

Insel der Nyx: Insel der Nyx, Die Prophezeiung der Götter

Titel: Insel der Nyx: Insel der Nyx, Die Prophezeiung der Götter
Autoren: Daniela Ohms
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Internat umsehen.
    Dabei hatte Lilith ihre Tante noch nie zu Gesicht bekommen. Ihr Vater und Tante Mildred mussten sich aus irgendeinem Grund zerstritten haben, was Lilith sehr ungewöhnlich fand. Sicher, ihr Vater war das typische Exemplar eines zerstreuten Wissenschaftlers und konnte manchmal etwas unsensibel sein, aber im Grunde war er ein herzensguter Mensch. Deswegen überraschte Lilith die Kälte in seiner Stimme, als er mit Tante Mildred vor einigen Tagen telefoniert hatte, um mit ihr Liliths Kommen abzusprechen. Warum verhielt sich ihr Vater nur so abweisend seiner Schwester gegenüber? Für Lilith gab es nur eine logische Schlussfolgerung: Ihre Tante musste eine durch und durch unsympathische Person sein. Und nun sollte Lilith auch noch bei ihr leben! Sie sank tiefer in sich zusammen.
    »Ich hoffe, du bist nicht mehr allzu lange unterwegs zu diesem, wie hieß es noch? Bonesdale?« Die Frau betrachtete Lilith besorgt. »In deinem Alter sollte man nicht alleine reisen müssen. Du bist doch wahrscheinlich erst ...«
    »Dreizehn«, half ihr Lilith. »Eigentlich noch zwölf, aber in ein paar Wochen habe ich Geburtstag.«
    »In deinem Alter konnte ich es auch kaum erwarten, älter zu werden.« Die alte Frau lachte auf. »Und heute muss ich manchmal nachrechnen, weil ich tatsächlich vergessen habe, wie alt ich bin.«
    Der Zug begann sein Tempo zu drosseln. Die Frau sah erfreut auf. »Ah, endlich sind wir in Larkhall. Jetzt muss ich raus.«
    Sie erhob sich schwerfällig und wollte sich strecken, um ihren Koffer aus der Ablage zu ziehen, als der Zug einige Male unsanft hin- und herruckelte. Die alte Dame drohte das Gleichgewicht zu verlieren und schrie erschrocken auf. Lilith konnte gerade noch rechtzeitig ihren Arm ergreifen und ihr Halt geben.
    »Was für eine Reise«, stöhnte die Frau mit bleichem Gesicht. »Als ob einen das Unglück verfolgen würde.« Sie tätschelte erleichtert Liliths Hand. »Ohne dich wäre ich jetzt wohl gestürzt!«
    »Kein Problem. Warten Sie, ich helfe Ihnen.«
    Lilith, die für ihr Alter groß gewachsen war, zog den kleinen Koffer aus der Ablage. Dankbar nahm ihn die Frau entgegen. »Viel Glück auf der Weiterreise«, wünschte sie Lilith zum Abschied.
    »Danke!« Auch wenn es Lilith nichts ausmachte, alleine unterwegs zu sein, hatte sie doch das Gefühl, dass sie dieses Glück noch dringend nötig haben würde.
    Nachdem die ältere Dame gegangen war, saß Lilith alleine im Abteil. Im ganzen Zug schienen sich kaum noch Passagiere zu befinden. Anscheinend war Liliths Reiseziel für andere Menschen wenig verlockend.
    Lilith wurde unruhig. Sie hatte plötzlich das unangenehme Gefühl, dass sie beobachtet wurde. Es war wie ein kaltes Prickeln auf ihrer Haut. Sie sah aus dem Fenster auf den belebten Bahnsteig, doch sie konnte im Gewühl keinen Blick ausmachen, der den ihren kreuzte. Niemand schien sie wahrzunehmen.
    Das Kribbeln auf ihrer Haut wurde immer intensiver. Jede Faser ihres Körpers war angespannt.
    Lilith stand auf und schob das Abteilfenster hinunter. Lautes Stimmengemurmel schlug ihr entgegen, gemischt mit den eintönigen Lautsprecherdurchsagen des Bahnhofs und einem wummernden Bass, der aus dem Ghettoblaster einiger Jugendlicher dröhnte. Nervös sah Lilith auf die Menschen hinab, die wie in einem unsichtbaren Labyrinth kreuz und quer durch die Gegend eilten, andere standen wartend auf dem Bahnsteig und starrten gelangweilt vor sich hin.
    Schon glaubte Lilith, sie hätte sich alles nur eingebildet. Dann sah sie die schwarzen Augen. Lilith hielt erschrocken die Luft an.
    Auf dem Dach des Schaffnerhäuschens saß eine Krähe. Sie fixierte Lilith mit stechendem Blick. Es gab keinen Zweifel. Die Augen der Krähe waren nur auf sie, Lilith, gerichtet und verfolgten jede ihrer Bewegungen. Lilith bekam eine Gänsehaut. Irgendetwas sagte ihr, dass dies keine gewöhnliche Krähe war. Lilith hatte den Aberglauben, nachdem dieser als Unglücksrabe verschriene Vogel Krieg und Tod ankündigt, nie nachvollziehen können. Im Gegenteil, sie hatte das schwarz glänzende Gefieder und die wachsame,fast menschliche Art dieser Vögel immer bewundert. Doch nicht bei diesem Tier. In seinen Augen lag eine Bösartigkeit, wie Lilith sie noch bei keinem anderen Lebewesen gesehen hatte. Der Blick der Krähe durchbohrte sie. Lilith hatte das Gefühl, als würde sie rundherum in Eis gepackt.
    Sie zuckte zusammen. Die Türen der Waggons hatten sich mit einem lauten Schlag geschlossen. Nur einen Wimpernschlag
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