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Insel der Freibeuter

Insel der Freibeuter

Titel: Insel der Freibeuter
Autoren: Alberto Vazquez-Figueroa
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den Tag
    erinnern, an dem ein portugiesisches Schiff unter dem Befehl eines spanischen Edelmanns in die
    Bucht eingedrungen war, ein Piratenschiff in Brand gesteckt, die gesamte Besatzung geköpft hatte und mit einem der größten Schätze, von denen je einer geträumt hatte, verschwunden war.
    Und er, Don Hernando Pedrárias Gotarredona, wür-
    de sein verlorenes Prestige wiedererlangen und mit etwas Glück sogar die begehrte Macht.
    Das einzige, was ihm zu seinem vollständigen
    Glück fehlte, war, daß nun noch die Kinder seiner Ex-Geliebten erschienen und damit Seiner Exzellenz Don Cayetano Miranda Portocarrero y Diaz de
    Mendoza das Vergnügen verschafften, sie auf dem
    Hauptplatz von Cumaná aufhängen zu lassen: als
    abschreckendes Beispiel für alle, die es wagten, sich mit der Casa de Contratación von Sevilla anzulegen.
    »Alles wird sich finden«, sagte er sich. »Auch
    wenn ich sie heute nicht kriege, so weiß ich jetzt, wo sie sind.«
    Er legte die Füße auf den Tisch und machte es sich in dem alten Sessel bequem, um genüßlich die Stadt auf der engen Landzunge zwischen Meer und Bucht
    zu betrachten, die in der Tropensonne schmorte.
    Er bedauerte es, daß er nicht die Möglichkeit hatte, sich dieses Neue Babylon etwas näher anzusehen, in dem es angeblich mehr Gold und Edelsteine als in
    ganz England gab und in dem die Sünden einer ein-
    zigen Nacht alle Sünden übertrafen, die man im alten Europa in einem ganzen Jahrzehnt begehen
    konnte.
    Gern hätte er die Schenken, Spielhöllen und Bor-
    delle besucht, um seinen Trieben einmal freien Lauf zu lassen, ohne auf eine bigotte Provinzgesellschaft Rücksicht nehmen zu müssen, die es bestimmt nicht mit Wohlwollen gesehen hätte, daß ein Gesandter
    der Casa de Contratación von Sevilla sich solchen Ausschweifungen hingab.
    In der ganzen Karibik sprach man von der Schön-
    heit der Frauen aller Hautfarben und Nationalitäten, die sich unter den Portalen der großen Hauptstraße der Stadt anboten, und Don Hernando Pedrárias Gotarredona, der seit Monaten keine Frau außer der
    talgigen Emiliana Matamoros angerührt hatte, fragte sich, wann sich ihm wieder einmal eine solche Gelegenheit bieten würde.
    »Schade!« murmelte er in sich hinein. »Wirklich
    schade, daß ich mir eine solche Gelegenheit entgehen lassen muß, aber wenn ich auf die Idee käme,
    von Bord zu gehen, wäre dieser verdammte Portu-
    giese imstande, die Anker zu lichten und mit all dem Silber zu verschwinden. Ich an seiner Stelle würde es tun.«
    Noch einmal betrachtete er die stolze, leuchtende und herausfordernde Stadt. Sie war fast beleidigend schön: Elegante, von langen Reihen hoher Kokospalmen eingerahmte Villen zeichneten sich über
    einem unvergleichlich türkisfarbenen Meer ab, und er mußte zugeben, daß die Leute, die Port-Royal an einer so privilegierten Stelle errichtet hatten, ganz genau gewußt hatten, was sie taten.
    Plötzlich fiel sein Blick auf eine menschliche Gestalt, die am Strand entlang ging.
    Sie kam ihm vor wie eine Fata Morgana, die sich
    nur verschwommen im dichten Dunst der Bucht ab-
    zeichnete, die so still dalag wie ein Quecksilberteich.
    Der hochgeschossene junge braune Mann, dessen
    Gang Don Hernando sofort an Celeste erinnerte,
    blieb plötzlich stehen und starrte auf die Jacare, als würde dort etwas seine Aufmerksamkeit fesseln.
    Don Hernando Pedrárias Gotarredona schlug das
    Herz bis zum Hals. Fast schien es ihm aus der Kehle zu springen.
    Da war er!
    Das mußte er sein!

    Die Welt hielt inne, eine ohrenbetäubende Stille
    legte sich über ganz Jamaika, das Licht wechselte auf unerklärliche Weise, und plötzlich flogen Tausende von Möwen, die auf dem Wasser schaukelnd
    geschlafen hatten, krächzend auf.
    Der junge Mann am Strand schaute zu ihnen hinauf
    und begann plötzlich wie ein verrückt gewordener
    Tänzer zu zittern. Zur gleichen Zeit bebte alles, was hinter seinem Rücken war, krümmte sich, als wären die massiven Gebäude nur biegsame Palmen, die ein Wirbelsturm schüttelte.
    Aus dem tiefsten Schlund der Erde drangen Millio-
    nen Donnerschläge herauf, ein gewaltiger Riß tat
    sich auf, verschlang Paläste, Schenken, Wirtshäuser und Bordelle, um sich über ihnen wieder zu schlie-
    ßen, als wäre da jemandem der größte vorstellbare Zaubertrick gelungen. Von der Landzunge, auf der
    vorher die Stadt gestanden hatte, war nur noch eine Staubwolke zu sehen.
    Entgeistert fühlte Don Hernando Pedrárias Gotar-
    redona, wie eine riesige Hand
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