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Insel der Freibeuter

Insel der Freibeuter

Titel: Insel der Freibeuter
Autoren: Alberto Vazquez-Figueroa
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je erwähnt, daß dieser verdammte Schotte Familie hat.«
    »Der Schotte ist schon vor langer Zeit nach Schottland zurückgekehrt«, stellte das Männchen klar, das sich um jeden Preis die Gunst seiner Häscher erhalten und sein Leben retten wollte. »Der jetzige Kapitän ist ein anderer.«
    »Ein anderer? Wer?«
    »Ein Margariteno… Sebastián Heredia.«
    Jetzt war Don Hernando Pedrárias so perplex, daß
    er ungläubig auf einem Stapel Silberbarren Platz
    nahm.
    »Sebastián Heredia! Nicht möglich. Wie heißt sei-
    ne Schwester?«
    »Celeste.«
    »Celeste…! Jetzt verstehe ich. Damals war dieser
    Hurensohn noch ein richtiges Kind.« Er griff sich an die Schläfen, als wollten ihm diese gleich platzen.
    »Er ist das also gewesen. Der Sohn von Emiliana…
    Ich kann’s nicht glauben!«
    »Vielleicht kann mir jemand erklären, was das be-
    deutet«, versetzte der Portugiese, dessen Gleichmut durch nichts zu erschüttern war. »Was soll das alles heißen, zum Teufel?«
    »Das soll heißen, daß das Leben manchmal üble
    Streiche spielt. Verdammt üble!« lautete die ausweichende Antwort. »Aber jetzt hat ihn das Glück verlassen.« Don Hernando Pedrárias deutete auf den
    Leichenberg. »Hier liegt seine gesamte Besatzung
    und sein ganzes Vermögen. Wenn Gott uns weiter-
    hin beisteht, dann werde ich ihm noch heute das
    Licht ausblasen.« Er wandte sich dem Männchen zu.
    »Wo wohnt er?«
    »Ich habe nicht die geringste Ahnung!« beeilte sich der Angesprochene mit der Antwort, damit man ihm
    glaubte. »Er hat es vor allen geheimgehalten. Vorge-stern nacht hat er seinen Anteil an der Beute in eine Kutsche geladen und ist verschwunden.«
    »Wann kehrt er zurück?«
    »Er hat dem Koch befohlen, für diese Nacht ein
    großes Abschiedsessen vorzubereiten, denn die meisten seiner Männer wollen sich zur Ruhe setzen.«
    »Das Essen ist ohne Zweifel abgesagt«, kommen-
    tierte Kapitän Tiradentes ironisch und wies auf die Leichen. »Und zur Ruhe haben sie sich endgültig
    gesetzt. Was machen wir jetzt?«
    Don Hernando Pedrárias dachte lange nach.
    »Warten, bis er zurückkommt.«
    Der Portugiese tauschte einen Blick mit seinen
    Männern aus, um mit beunruhigendem Ernst zu er-
    widern:
    »Bei allem Respekt, Senor. Wenn es dunkel wird,
    lasse ich die Beute auf die Botafumeiro schaffen und mache mich aus dem Staub, denn jede Minute, die
    wir länger hierbleiben, bringt uns den Krebsen nä-
    her. Und wenn es übel ist, arm zu sterben, dann ist es geradezu idiotisch, zu sterben, wenn man gerade reich geworden ist.«
    »Wir sind gekommen, um Kapitän Jack gefangen-
    zunehmen, und genau das werden wir tun«, gab sein Auftraggeber barsch zurück.
    »Gestattet, Senor, daß ich Euch widerspreche«, lautete die fast drohende Antwort. »Wir sind gekom-
    men, um die Jacare zu zerstören, und ich garantiere Euch, sobald wir aufgebrochen sind, fliegt sie in die Luft. Wenn Ihr mit zehn Fässern voller eingesalze-ner Köpfe nach Cumaná zurückkehrt und versichert, daß einer von ihnen der Kopf von Kapitän Jack ist, dürft Ihr Euch wohl als rehabilitiert betrachten. Alles andere wäre nichts weiter als ein idiotischer persönlicher Rachefeldzug, der zu viele Leute in schwerste Lebensgefahr bringt.«
    Dem Ex-Gesandten der Casa de Contratación von
    Sevilla lag eine ärgerliche Antwort auf der Zunge, dann aber blickte er in das strenge Gesicht seines Gegenübers und in die übrige unfreundliche Runde.
    Auf seiner Forderung zu beharren, das wurde ihm
    bald klar, hieße lediglich, den Leichenberg in den Lagerräumen zu vergrößern.
    »Einverstanden«, knurrte er. »Schneidet ihnen die Köpfe ab, und bereitet alles vor, damit wir bei Anbruch der Nacht an Bord der Botafumeiro gehen
    können.« Er machte eine weitausholende Handbe-
    wegung. »Und von weitem möchte ich sehen, wie
    dieser Mistkahn in der Nacht brennt.«
    »Kein Problem!« erwiderte der Portugiese sofort.
    »Da kenne ich mich aus.«
    Don Hernando Pedrárias verließ die Lagerräume
    und begab sich direkt in die Kapitänskajüte, nahm im alten Sessel des Schotten Platz und betrachtete durch das schmale Fenster, wie in der immer brutaler werdenden Mittagshitze allmählich jegliche Aktivität in der Stadt erlahmte.
    Er sah auf seine Uhr.
    Es war zwanzig vor zwölf, und er lächelte bei dem Gedanken, daß dieser 7. Juli 1692 in die Geschichte als der Tag eingehen würde, an dem Port-Royal aufgehört hatte, die sicherste Zuflucht auf Erden zu sein. Jahrhundertelang würde man sich an
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