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Insel der Freibeuter

Insel der Freibeuter

Titel: Insel der Freibeuter
Autoren: Alberto Vazquez-Figueroa
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zur kleinen Villa in Caballos Blancos ein, die er eine gute Stunde spä-
    ter erreichte.
    Sein Vater und seine Schwester wollten ihren Au-
    gen kaum trauen, als sie die Schätze sahen, die Sebastian vor ihnen ausbreitete.
    »Gütiger Gott! Was willst du denn damit alles an-
    stellen?« wollte schließlich eine geradezu betäubte Celeste wissen.
    »Zunächst einmal die Negrita komplett wieder auf-
    bauen und dann die Rumbrennerei von Caballos
    Blancos kaufen. Dann sehen wir weiter.«
    »Und was passiert mit dem Schiff?«
    Sebastian zuckte mit den Schultern.
    »Das habe ich noch nicht entschieden, denn die
    meisten meiner Leute wollen sich zur Ruhe setzen.«
    »Mir kommt das seltsam vor, daß eine ganze Ver-
    brecherbande plötzlich ehrbar werden will«, mur-
    melte ein ungläubiger Miguel Heredia. »Ich verwette meinen Schnurrbart darauf, daß sie binnen eines
    Jahres ihren Anteil verschleudert haben.«
    »Die wollen nicht ehrbare Leute werden«, stellte
    sein Sohn mit gewissem Humor klar. »Die haben
    einfach nur eingesehen, daß sie so eine Beute nie wieder kriegen werden, und sie sind es leid, auf der Suche nach einer armseligen Prise weiter über die Meere zu irren. Du weißt es besser als jeder andere, was für ein schweres Leben das ist.«
    »Ihnen gefällt es.«
    »Rum, Glücksspiel und Frauen sind ihnen noch lie-
    ber. Die Seeräuberei ist kein Priesteramt. Damit verdient man Geld.«
    »Und wie lange wird es dauern, bis sie ihren Anteil verschleudert haben?«
    »Das ist nicht mein Problem. Und wer kein Geld
    mehr hat, kann jederzeit auf einem anderen Schiff anheuern. Aber für die Jacare, so wie sie jetzt ist, war das die letzte Fahrt, und ihre Flagge bleibt für immer eingeholt.«
    Anschließend mußte er in allen Details berichten, was seit dem Augenblick ihrer Trennung geschehen
    war, und als sein Vater und seine Schwester schließ-
    lich schlafen gingen, machte der Margariteno einen langen Spaziergang am Strand, um sich auszumalen, wie nach so vielen aufregenden Jahren auf See sein Leben an Land aussehen konnte.
    Immer wieder kam es ihm seltsam vor, keine
    schwankenden Schiffsplanken mehr unter den Füßen
    zu haben und nicht jeden Augenblick vor einem
    Mast oder einer Schiffswand zu stehen.
    Wenn er mitten in der Nacht aufwachte, ohne das
    Knarren der Jacare zu hören, befiel ihn eine seltsame Unruhe, und wenn ihm der Duft der feuchten Erde
    und der dichten Vegetation des fruchtbaren Jamaika in die Nase stieg, vermißte er sein Schiff, das nach Teer und feuchtem Holz roch.
    Er würde noch lange brauchen, bis er kein echter
    Seemann mehr war, doch das Meer bot ihm keine
    Zukunft mehr. Schließlich sah er sich nicht als Kapitän eines Handelsschiffs, und ebenso absurd war die Vorstellung, daß ihm Engländer, Franzosen oder
    Spanier je ein Kommando über ein Kriegsschiff an-
    vertrauen würden.
    Ob er wollte oder nicht, seine Zukunft lag an Land.
    Er setzte sich unter eine hohe Kokospalme und
    schaute zu, wie sich der Mond in den breiten, von Korallenriffen gebildeten Lagunen spiegelte, als ihn plötzlich eine seltsame Unruhe befiel, eine düstere Vorahnung, daß etwas Schreckliches passieren wür-de, ohne daß er hätte sagen können, woher die undefinierbare Gefahr kam, die all seine Bewegungen mit tausend Augen hinter seinem Rücken aus dem Dik-kicht der Zuckerrohrfelder zu verfolgen schien.
    Er bemühte sich, seine Sorgen zu verscheuchen und sich selbst davon zu überzeugen, daß seine Familie und seine überaus wertvolle Beute in Sicherheit waren. Er hatte also nichts zu fürchten, wenn er sich dazu entschloß, auf der Insel zu bleiben. Diese wür-de stets eine Zuflucht für alle Menschen sein, die ihr von Plünderung und Gewalt bestimmtes Leben für
    immer ändern wollten.
    Man mußte nicht besonders aufgeweckt sein, um zu
    begreifen, daß sich die Zeiten änderten und sich die glorreichen Zeiten der Seeräuberei allmählich ihrem Ende zuneigten. Die meisten ehrbaren Menschen der Region waren der Ansicht, daß mit Anbruch des
    schon so nahen neuen Jahrhunderts die Antillen
    nicht mehr die Jagdgründe der Seewölfe, sondern
    Teil einer zivilisierteren Welt sein würden, in der die Probleme nicht ausschließlich mit Plünderungen und Kanonenschüssen gelöst wurden.
    Die Spanier schienen inzwischen akzeptiert zu ha-
    ben, daß andere Mächte sich auf einigen Inseln der Karibik festgesetzt hatten, und früher oder später würden die Regierungen dieser Nationen zur Überzeugung gelangen, daß friedliche
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