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Insel der Freibeuter

Insel der Freibeuter

Titel: Insel der Freibeuter
Autoren: Alberto Vazquez-Figueroa
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durchzu-schneiden. Noch in seinem hohen Alter war er nach wie vor davon überzeugt, daß dies der Grund sei,
    warum ihn sein Schöpfer auf die Welt geschickt
    hatte.
    Seine gefürchtete Flagge einzuholen und feindli-
    ches Feuer nicht zu erwidern schien seiner Ansicht nach Beweis genug für seinen guten Willen zu sein.
    So beschränkte er sich darauf, weiter durch die Einfahrt vorzudringen, und konzentrierte sich mehr auf das, was sich die Männer an den Bleiloten zuriefen, als auf einen neuen Angriff seitens der Jacare.
    »Zwölf Faden und Sand!«
    »Zwölf Faden und Sand!«
    »Elf Faden und Sand!«
    »Elf Faden und Sand!«
    Nur das war im Augenblick wirklich wichtig, denn
    solange seine Kanonen geladen und seine Männer
    auf ihren Posten waren, mußte er sich nur Sorgen
    machen, ob er auch genügend Wasser unter dem
    Kiel hatte.
    An Land verfolgten Sebastián und sein Adjutant
    den langsamen Vorstoß des Schiffs, das ihnen nun-
    mehr wie eine riesige Todesmaschine vorkam, in
    deren Takelwerk über zweihundert Wilde hingen,
    die bereit waren, sie zu entern. Und als sie die zerbrechliche Silhouette der entblößten Jacare betrachteten, tauschten sie einen sorgenvollen Blick aus.
    »Wenn es ihm gelingt, seine Kanonen in Stellung
    zu bringen, schießt er sie mit einer einzigen Breitseite in Stücke.«
    Schon fuhr die Ira de Dios durch die Einfahrt der Bucht und machte sich bereit, allmählich nach Steuerbord zu drehen. Langsam passierte ihr Bug den
    Punkt, an dem die Mannschaft der Jacare vorher das Floß für ihre Schießübungen hatten ankern lassen.
    Ein Meter, zwei Meter, drei Meter.
    Sebastian Heredia richtete eine schwere Pistole in die Höhe und feuerte einen Schuß in die Luft ab.
    Sofort antworteten ihm drei Kanonenschüsse von
    der Jacare. Das war das Signal für die 22 Kanonen, die sich unter der Sandbank an der Leeseite der Ira de Dios verbargen. Alle feuerten zur gleichen Zeit auf einen Zielpunkt von nur zwei Metern Durchmes-ser an der Backbordseite des Bugs, unmittelbar über der Wasserlinie.
    Das riesige Schiff erzitterte vom Bug- bis zum
    Achtersteven und kam sofort zum Stehen.
    Mombars’ Schiff war absichtlich mit den härtesten Edelhölzern Westindiens gebaut worden und hätte
    jeden feindlichen Treffer weggesteckt, aber niemand hatte an die Möglichkeit gedacht, daß man auf so
    kleinem Raum 22 sechsunddreißigpfündige Kano-
    nenkugeln abbekommen konnte, die aus nur gut
    hundert Metern Entfernung abgefeuert worden wa-
    ren.
    Die Planken zersplitterten, die dicken Spanten brachen, das zweite Deck brach und riß die schweren
    Kanonen mit sich. Durch das riesige Leck strömte
    sofort das Wasser ein, wodurch die Ira de Dios in die für ein Segelschiff gefährlichste Schlagseite geriet: an der Leeseite des Bugs.
    Dutzende Männer fielen von den Masten und Wan-
    ten auf das Deck, und wer nicht stürzte, konnte sich nur an irgend etwas klammern, um nicht das gleiche Schicksal zu erleiden.
    Das Schiff bebte, die Mannschaft an der Steuer-
    bordseite rutschte nach Backbord, wo sie über die Reling fiel, und als ein Dutzend Kanonen losgingen, feuerten die der einen Seite in die Luft, die der anderen ins Wasser.
    Der noch immer ungläubige Todesengel rappelte
    sich auf und klammerte sich an das nutzlos gewor-
    dene Steuerrad, um zuzusehen, wie etwa dreißig
    Männer aus großen, tiefen Schanzgräben im Sand
    auftauchten und das grobe Segeltuch entfernten,
    unter dem sie ihre Kanonen versteckt hatten. Sie
    luden sie jetzt mit so atemberaubender Geschwin-
    digkeit, daß Mombars kaum Zeit blieb, seine Män-
    ner vor einer neuen Breitseite zu warnen, als diese auch schon mit einer Rauchwolke einschlug.
    Die zweite Breitseite war noch verheerender als die erste, denn sie traf ein bereits tödlich verwundetes Schiff und schlug eine neue Bresche, die den
    Hauptmast unmittelbar unter Deck zersplitterte, so daß dieser bei seinem Sturz das Freibord und alle, die sich darauf befanden, fünf Meter hoch in die
    Luft schleuderte.
    Es war ein Massaker.
    An Bord der Ira de Dios zeigten alle Götter die
    Größe ihres Zorns. Während die meisten Besat-
    zungsmitglieder sich an irgend etwas klammerten,
    entschloß sich der Rest, ins Wasser zu springen und zur Küste zu schwimmen.
    Jetzt spuckten die Kanonen kleine Säcke mit Pisto-lenkugeln aus, die einen tödlichen Regen über die an Deck gebliebenen Männer ausschütteten, und unter
    Jammern, Todesschreien und Flüchen streckte die
    gefürchtetste Besatzung der Karibik ihre
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