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Insel der Freibeuter

Insel der Freibeuter

Titel: Insel der Freibeuter
Autoren: Alberto Vazquez-Figueroa
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nichts entgehen konnte, was sich vor ihrem Bug ab-spielte. Zafiro Burman stand am Steuerrad, und
    selbst der letzte Marsgast paßte wie ein Luchs auf.
    So wagten sie sich in das gefährliche Labyrinth aus Wasser und Korallen, das schon so viele Schiffe und Menschenleben gefordert hatte.
    Zum Glück kannten die meisten Männer diese Ge-
    wässer aus lange vergangenen Zeiten, in denen sie unter dem alten Kapitän hier gesegelt waren, und so konnten sie nach zehn nervenaufreibend langen
    Stunden die Anker an der tiefsten Stelle einer stillen Bucht einer winzigen Insel werfen, auf der nur einige wenige krumme Kokospalmen etwas Schutz vor
    der brennenden Sonne boten.
    Nachdem man die Masten auf die Hälfte gekappt
    hatte, ragten sie nicht einmal mehr über die kleinen Dünen. Außer von der engen Einfahrt in die Bucht
    war die Jacare daher von keinem Punkt aus zu se-
    hen: ein perfekter Aufenthaltsort, der aber aufgrund der sehr kahlen Landschaft als Winterquartier völlig ungeeignet war.
    Wer von Bord ging, konnte lediglich auf die Dünen steigen oder Spaziergänge über den endlosen Strand unternehmen, um sich schließlich unter eine der
    kühnen Palmen zu setzen, deren Anwesenheit die
    Naturgesetze zu widerlegen schien. Immerhin gab es Schildkrötennester in Hülle und Fülle, und die Bucht war so fischreich, daß der Filipino nur eine Angel auswerfen mußte, um die Speisekammern zu füllen.
    Die Sandinsel war von gefährlichen Korallenriffen umgeben, daß man sich selbst mit einem Ruderboot
    nicht hätte nähern können, ohne auf Grund zu lau-
    fen. Nur die weite Bucht besaß eine sechzig Meter enge Einfahrt, die so tief war, daß jedes Schiff sie ohne Furcht, zu stranden oder beschossen zu werden, befahren konnte, denn die flache Sandküste bot nicht die geringste Möglichkeit, eine Festung oder auch nur eine schlichte Geschützstellung zu errichten.
    Der Platz war also ein idealer Zufluchtsort vor den Naturgewalten, gleichzeitig aber auch eine tödliche Falle, wenn es darum ging, einen Feind abzuwehren.
    Die Männer waren sich dieser Gefahr wohl bewußt.
    Kaum hatte man Anker geworfen und die Segel ge-
    refft, brach an Bord hektische Aktivität aus. Nach Anbruch der Nacht arbeiteten die Männer im Schein aller Laternen, derer sie habhaft werden konnten, und der Fackeln weiter, die man alle fünf Meter in den Sand des Strands steckte.
    Alle wußten, daß die Ira de Dios jeden Augenblick auftauchen konnte, und wenn sie zu früh kam, würden die Gedärme eines jeden einzelnen die Dünen
    der Insel bedecken.
    Am nächsten Vormittag konnte sich kaum ein
    Mann an Bord noch auf den Beinen halten, aber so-
    wohl Sebastián Heredia als auch Lucas Castano wa-
    ren mit dem Ergebnis zufrieden.
    »Gut!« seufzte der Panamese erleichtert. »Jetzt
    müssen wir nur wieder zu Atem kommen und ab-
    warten.«
    »Wie lange?«
    »Ein, zwei, drei Tage. Wer weiß. Vielleicht kom-
    men sie gar nicht.«
    »Die kommen!«
    »Das hoffe ich auch. Nach so viel Mühe wären die
    Männer fürchterlich enttäuscht.«
    »Aber vielleicht kommen sie dann mit dem Leben
    davon«, gab Sebastian zu bedenken.
    »Manchmal sind andere Dinge wichtiger als das
    Leben«, entgegnete sein Stellvertreter unbefangen.
    »Und das ist so eine Gelegenheit. Und jetzt leg ich mich schlafen. Ich bin schließlich nicht mehr der Jüngste.«
    Es wurde Nacht, und die Nacht war voller Span-
    nung.
    Für die meisten Männer der Jacare war es zugleich die kürzeste und längste Nacht ihres Lebens. Zwar schliefen sie, weil sie wirklich erschöpft waren, doch in ihrem tiefsten Inneren wollte etwas wach bleiben, denn die Angst ist ein Gefühl, das niemals müde
    wird und in der größten Dunkelheit wie der Docht
    einer Kerze brennt.
    Und Mombars war nahe.
    Der Todesengel lauerte auf sie.
    Zweihundert Wilde, direkte Nachfahren der ge-
    fürchteten karibischen Kannibalen, die einst die gesamte Karibik in Angst und Schrecken versetzten,
    wetzten ihre Messer, um ihnen die Eingeweide he-
    rauszureißen.
    Wer konnte mit so einem Damoklesschwert über
    dem Kopf schlafen?
    Zwei Stunden vor Sonnenaufgang waren alle Män-
    ner bereits wieder auf den Beinen, und nach einem kargen und schweigsamen Frühstück nahm jeder
    seinen Gefechtsposten ein.
    Die Morgenröte ließ auf sich warten, und als sie
    schließlich kam, waren ihre Hände leer.
    Keine Menschenseele war am Horizont zu sehen.
    Drei Männer standen Wache auf den Dünen, die
    übrigen kehrten an Bord zurück, teils erleichtert, teils
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