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Insel der blauen Delphine

Titel: Insel der blauen Delphine
Autoren: Scott O Dell
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regnete Salzkrautfetzen und kleine Fische. Wenn ich der Biegung der Landzunge folgte, konnte ich die Bucht und den Pfad, der zur Mesa hinaufführte, erreichen, doch dazu blieb mir keine Zeit. Um meine Knie toste schon das Wasser und zerrte mich nach allen Seiten. Vor mir erhob sich die Klippe und trotz der glitschigen Moosflächen fand ich einen Halt am Felsen, erst für eine Hand, dann für einen Fuß. Und so zog ich mich Stück um Stück an der Klippe empor. Der Gischtkranz donnerte unter mir vorbei auf die Korallenbucht zu. Eine Weile lang blieb alles still. . Dann begann das Meer sich in langen, schäumenden Strömen an seinen alten Platz zurückzuziehen. Doch ehe es dazu kam, tauchte im Süden eine neue Wasserwand auf. Sie war vielleicht noch größer als die erste. Ich schaute empor. Die Klippe ragte senkrecht über mir in den Himmel. Höher konnte ich nicht klettern. Ich stand mit dem Gesicht zur Felswand, einen Fuß auf einem schmalen Vorsprung, eine Hand tief in eine Ritze verkrallt. Über meine Schulter hinweg konnte ich die Woge kommen sehen. Sie bewegte sich nicht schnell, denn die erste brandete immer noch zurück, der zweiten entgegen. Eine Zeit lang dachte ich, sie würde die Insel überhaupt nicht erreichen, weil die beiden jenseits der Landzunge plötzlich aufeinanderprallten. Wie zwei Riesen krachten sie aufeinander. Sie bäumten sich hoch auf und neigten sich erst nach der einen, dann nach der anderen Seite. Es gab ein Getöse wie von berstenden Riesenspeeren und der rote Schein der Sonne verwandelte die stiebende Gischt in Blut. Allmählich gewann die zweite Woge die Oberhand. Sie schob die erste vor sich her, rollte über sie hinweg und schleppte sie wie einen besiegten Gegner mit, als sie die Insel anfiel. Die Woge prallte an die Klippe. Lange, gierige Zungen schnellten über die Felswand, sodass ich weder sehen noch hören konnte. Die Wasserzungen drangen in alle Ritzen und Fugen, sie zerrten an meiner Hand und an meinem nackten Fuß, der sich an den Felsvorsprung klammerte. Sie brandeten über meinen Kopf hinweg die steile Wand empor, höher, immer höher, bis ihre Spitzen im Leeren zerbarsten und zischend an mir vorbei hinunterstürzten in das brodelnde Wasser, das jetzt über die Insel brauste. Plötzlich erstarb der Lärm. In der Stille konnte ich mein Herz pochen hören. Ich sah, dass meine Hand sich immer noch am Felsen festhielt, und ich wusste, dass ich lebte. Es wurde Nacht, und obgleich ich nicht den Mut hatte, die Klippe zu verlassen, sah ich ein, dass ich nicht bis zum Morgen hierbleiben konnte. Ich würde einschlafen und hinunterstürzen. Ich würde auch den Weg nach Hause nicht finden. So kletterte ich von meinem Felsvorsprung herunter und kauerte am Fuß der Klippe nieder. Der neue Tag war windstill und heiß. Auf der Landzunge türmten sich Hügel von Salzkraut. Tote Fische und Austern und rosarote Krabben lagen überall umher und an den felsigen Wänden der Bucht waren zwei kleine Walfische gestrandet. Auf dem ganzen Pfad bis hinauf zur Mesa fand ich totes Seegetier. Rontuaru stand wartend am Zaun. Als ich auf der anderen Seite aus dem kleinen Tunnel kroch, fiel er jaulend über mich her und wich mir nicht mehr von der Seite. Ich war glücklich, wieder zu Hause zu sein hier oben auf dem Berg, wo die Sturmflut keinen Schaden angerichtet hatte. Ich war nur von einer Sonne auf die andere fortgeblieben und doch schienen es viele Sonnen gewesen zu sein, wie damals, als ich im Kanu fortgefahren war. Ich schlief den größten Teil des Tages, aber ich hatte viele Träume, und als ich erwachte, war alles um mich her seltsam verändert. Das Meer lag lautlos da. Die Möwen schwiegen. Die Erde schien den Atem anzuhalten, als wartete sie darauf, dass etwas Schreckliches geschehe. Am Abend kehrte ich, einen Korb voll Wasser auf der Schulter, von der Quelle zurück. Ich nahm den Weg über die Klippe mit Rontuaru, der mich nicht aus den Augen ließ. Der Ozean lag, so weit ich sehen konnte, glatt und gelb da. Er schmiegte sich an die Insel wie ein sehr müdes, großes Tier. Die Möwen schwiegen noch immer; sie hockten wie betäubt auf den Rändern ihrer Felsennester. Dann begann sich die Erde langsam zu bewegen. Sie rutschte mir unter den Füßen weg und für einen kurzen Augenblick schien ich in der Luft zu stehen. Wasser schwappte aus dem Korb und rieselte mir über das Gesicht. Dann fiel der Korb zu Boden. Ohne zu wissen, was ich tat, im törichten Glauben, eine neue Wasserwoge stürze auf
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