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Insel der blauen Delphine

Titel: Insel der blauen Delphine
Autoren: Scott O Dell
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bis zu meinen Füßen, dann von einer Schulter zur anderen. Das Kleid war blau. Der Mann, der es nähte, schnitt es aus zwei Hosen, wie die weißen Männer sie trugen. Er schnitt sie in Stücke, dann setzte er sich auf einen Stein und nähte sie mit weißen Schnüren wieder zusammen. Er hatte eine lange Nase; sie sah aus wie die Nadel in seiner Hand. Den ganzen Nachmittag saß er auf dem Stein und die Nadel lief hin und her, ein und aus und glitzerte in der Sonne. Von Zeit zu Zeit hielt er das Kleid empor und nickte mit dem Kopf, als freue er sich über sein Werk. Ich nickte, als freute auch ich mich darüber, aber das stimmte nicht. Ich wollte mein Kormorankleid und meinen Otterpelz tragen, denn sie waren viel schöner als das Ding, das er nähte. Das Kleid reichte mir vom Hals bis zu den Füßen und ich mochte es nicht. Ich mochte weder seine Farbe noch die Art, wie es kratzte. Außerdem war es heiß. Aber ich lächelte und legte mein Kormorankleid in einen der Körbe. Ich würde es später wieder anziehen, wenn ich übers Meer gefahren war und die Männer sich nicht in der Nähe befanden. Das Schiff blieb neun Tage in der Korallenbucht. Die Männer waren der Otter wegen hergekommen, doch die Otter waren verschwunden. Einige von denen, die sich an die Aleuter erinnerten, mussten trotz allem übrig geblieben sein, denn in dieser ganzen Zeit ließ sich die Herde nicht blicken. Ich wusste, wohin sie sich geflüchtet hatte. Sie war zum Hohen Felsen geschwommen, aber als mir die Männer die Waffen zeigten, mit denen sie die Otter töten wollten, schüttelte ich den Kopf und tat, als hätte ich nicht verstanden. Sie deuteten auf meinen Umhang aus Otterfell, doch ich schüttelte weiter den Kopf. Einmal fragte ich sie nach dem Schiff, das vor vielen Jahren meine Leute weggebracht hatte. Ich zeichnete ein Schiff in der Luft und deutete nach Osten, aber sie verstanden nicht, was ich meinte. Erst viel später, als ich in die Santa-Barbara-Mission kam und Pater Gonzales kennenlernte, erfuhr ich von ihm, dass das Schiff in einem großen Sturm gesunken war, bald nachdem es sein Heimatland erreicht hatte, und dass es auf dem ganzen Ozean in jener Gegend kein anderes dieser Art gab. Aus diesem Grunde waren die weißen Männer nicht zurückgekommen, um mich zu holen. Wir segelten am zehnten Tag. Der Morgen war klar und windstill. Wir fuhren geradewegs der Sonne entgegen. Lange stand ich auf dem Deck und schaute zurück zur Insel der blauen Delfine. Das Letzte, was ich davon sah, war die Bergkuppe. Ich dachte an Rontu, der dort unter den farbigen Steinen lag, und an Won-a-nee, wo immer sie sein mochte, und an die kleine rote Füchsin, die nun vergeblich an meinem Zaun scharren würde, und an mein Kanu in seinem Höhlenversteck und an alle vergangenen glücklichen Tage. Delfine tauchten aus dem Meer und schwammen dem Schiff voran. Sie schwammen viele Meilen weit durch das glitzernde Wasser, ihre fröhlichen schäumenden Muster webend. Die kleinen Vögel zwitscherten in ihrem Käfig und Rontuaru saß neben mir.
    Nachwort des Verfassers
    Die Insel, in diesem Buch “Insel der blauen Delfine” genannt, wurde um das Jahr z000 v. Chr. von Indianern entdeckt, die sich als Erste dort ansiedelten. Den Weißen blieb sie bis 1602 unbekannt. In jenem Jahr brach der spanische Forscher Sebastian Vizcaino aus Mexiko auf, um einen Hafen zu suchen, in dem die Schatzsegler von den Philippinen bei stürmischem Wetter eine Zuflucht finden konnten. Auf seiner Fahrt entlang der kalifornischen Küste sichtete er die Insel, schickte ein kleines Boot an Land und weihte seine Entdeckung dem Schutzpatron der Seeleute, Reisenden und Händler, indem er ihr den Namen La Isla de San Nicolas gab. Im Laufe der Jahrhunderte ging Kalifornien von spanischem in mexikanischen Besitz über, dann kamen die Amerikaner, doch nur selten verirrte sich ein weißer Jäger auf die Insel. Ihre indianischen Bewohner blieben von der Welt abgeschnitten. Das Robinson-Crusoe-Mädchen, dessen Geschichte ich nachzuerzählen versucht habe, lebte tatsächlich von 1835 bis 1853 allein auf dieser Insel und hat als “die Verschollene von San Nicolas” historische Berühmtheit erlangt. Über ihr Leben ist wenig Bestimmtes zu erfahren. Wir wissen nach den Berichten von Kapitän Hubbard, dessen Segelschoner die Indianer von Ghalasat wegbrachte, dass das Mädchen ins Meer sprang, obgleich man es daran hindern wollte. Dem Nachlass von Kapitän Nidever entnehmen wir ferner, dass er die
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