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Insel der blauen Delphine

Titel: Insel der blauen Delphine
Autoren: Scott O Dell
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umherliefen. Und plötzlich legten sich alle nieder und schliefen ein. Es waren neun Hunde, die da schlafend am Bach lagen. In dem schwachen Licht konnte ich sie kaum voneinander unterscheiden, doch nach einer Weile fand ich den, den ich mitnehmen wollte. Er schnarchte, als hätte er eben eine große Mahlzeit verzehrt. Ich hob ihn auf und lief, so schnell ich konnte, die Klippe entlang nach Haus, voll Angst, er könnte unterwegs aufwachen. Ich zog ihn durch das Loch unterm Zaun, band ihn an einen Pfahl und stellte Futter und frisches Wasser vor ihn hin. Nicht lange danach stand er schon wieder auf den Füßen und kaute an dem Riemen, mit welchem ich ihn festgebunden hatte. Er heulte und lief auf dem Platz hin und her, während ich mein Essen kochte. Er heulte die ganze Nacht, doch in der Frühe, als ich das Haus verließ, schlief er fest. Während er dort am Zaun lag und schlief, dachte ich mir verschiedene Namen für ihn aus. Ich versuchte es zuerst mit diesem, dann mit jenem, indem ich jeden laut vor mich hersagte. Da er seinem Vater so ähnlich sah, nannte ich ihn schließlich “Rontuaru”, das heißt Sohn des Rontu. Nach kurzer Zeit waren wir Freunde. Er war nicht so groß wie Rontu, aber er hatte das dicke Fell seines Vaters und dessen gelbe Augen geerbt. Oft, wenn ich sah wie er die Möwen von der Landzunge verjagte oder die Otter vom Riff herab anbellte, vergaß ich, dass er nicht Rontu war. Wir verbrachten viele glückliche Tage in jenem Sommer, wir fischten oder wir fuhren in unserem Kanu zum Hohen Felsen, aber ich dachte jetzt mehr und mehr an Tutok und an meine Schwester Ulape. Manchmal hörte ich ihre Stimmen im Wind oder, wenn ich auf dem Meer war, in den Wellen, die sachte an mein Kanu stießen.

Kapitel 27
    Auf die heftigen Winterstürme folgten viele Tage, an denen kein Wind mehr wehte. Die Luft war so drückend, dass man kaum atmen konnte, und die Sonne brannte so heiß, dass das Meer selbst eine Sonne wurde und einen blendete, wenn man hinschaute. An dem letzten dieser heißen Tage holte ich das Kanu aus der Höhle und paddelte um das Riff zur Landzunge. Rontuaru nahm ich nicht mit, denn er hasste die Hitze, wie er die Kälte liebte. Ein Glück, dass er nicht mitkam. Es war der heißeste Tag, den ich je erlebt hatte, und das Meer glühte rot. Über meinen Augen trug ich Schilder aus Holz mit kleinen Schlitzen, durch die ich hinausschauen konnte. Keine Möwen flatterten am Himmel, die Otter la gen reglos im Salzkraut und die kleinen Krabben hatten sich in ihre Löcher verkrochen. Ich zog das Kanu an den Strand. Der Strand war feucht, aber er dampfte an der Sonne. Zu Beginn jedes Frühjahrs brachte ich das Kanu an die Landzunge und goss frisches Pech in die Fugen zwischen die Planken. Ich arbeitete den ganzen Morgen. Von Zeit zu Zeit hielt ich inne, um mich im Meer abzukühlen. Als die Sonne höher stieg, drehte ich das Kanu um, kroch darunter und schlief in seinem Schatten ein. Ich hatte noch nicht lange geschlafen, als ich plötzlich von einem dumpfen Grollen, das ich für Donner hielt, geweckt wurde. Ich blinzelte unter dem Kanu hervor, sah jedoch keine Wolke am Himmel. Und doch dröhnte es weiter. Es kam aus der Ferne aus dem Süden, und noch während ich lauschte, wurde es stärker. Ich sprang auf. Das Erste, was mir in die Augen fiel, war ein glänzender Streifen am südlichen Abhang der Landzunge. In meinem , ganzen Leben auf der Insel hatte ich noch nie eine so niedrige Ebbe gesehen. Felsblöcke und kleine Riffe, die ich nie unter Wasser vermutet hätte, standen kahl in der blendenden Helle. Es sah ganz fremd aus. Ich war eingeschlafen und auf einer anderen Insel wieder aufgewacht. Mit einem Male war die Luft um mich her dicht geworden. Ich hörte einen leisen, ziehenden Laut, als saugte ein riesiges Tier nach und nach die ganze Luft durch die Zähne. Das Dröhnen kam näher aus  einem blanken Himmel und erfüllte meine Ohren. Und dann sah ich jenseits des funkelnden Sandstreifens und der kahlen Felsen und Riffe, mehr als eine Meile weit dahinter, einen ungeheuren weißen Gischtkranz, der sich auf die Insel zubewegte. Er schien langsam zwischen dem Meer und dem Himmel daherzukommen, doch es war das Meer selbst. Ich riss die Schilder von meinen Augen herunter. Voll Entsetzen rannte ich über die Landzunge. Ich rannte und stolperte und richtete mich wieder auf und rannte weiter. Der Sand erschauerte unter meinen Füßen, als die erste Woge aufprallte. Ein Sprühregen fiel über mich. Es
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