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Innenhafen

Innenhafen

Titel: Innenhafen
Autoren: Ursula Sternberg
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mir im gleichen Atemzug unter die Nase rieb, dass da bei ihr auch mal was gelaufen ist.«
    »Zweimal«, warf ich ein.
    »Was? Zweimal?«
    »Es ist dir jetzt zum zweiten Mal passiert.«
    »Mit dir ist das aber was anderes.«
    Ich wollte gar nicht erst fragen, wie er das meinte. Also nickte ich nur.
    »Wenn da nicht Max wäre, sähe das bei mir vermutlich auch anders aus«, räumte ich schließlich ein.
    »Und wenn ich solo wäre, würde ich es dir nicht so leicht machen, aus der Nummer wieder rauszukommen.« Er kraulte mir sanft den Nacken und fuhr mir mit der Hand gegen den Strich durch meine Haare.
    »Hhhuuuaa!« Ich schüttelte mich. »Wenn das Wörtchen Wenn nicht wär, würde Großmutter jetzt sagen.«
    »Die alte Dame lebt noch?«, fragte Volker verblüfft.
    »Wie, du kannst dich noch an sie erinnern?«
    »Na klar. Ein wahres Füllhorn voller Sprichwörter.« Er lachte unbefangen.
    »Sie ist schon lange tot. Aber ihre Binsenweisheiten treiben sich immer noch in meinem Schädel herum und mischen in jeder passenden und unpassenden Situation mit. Sie hat mir ein bleibendes Erbe hinterlassen.« Nun lachte ich auch. »Und du nimmst jetzt die Hand da weg. Bitte.«
    Er zwackte mich noch einmal leicht und kraulte mich sanft. »Wenn du darauf bestehst …«
    Ich spürte einen leisen Anflug von Bedauern, als er meiner Aufforderung folgte.
    Eine Weile saßen wir schweigend da und hingen unseren Gedanken nach. Ein Hauch von Wehmut hatte sich in mir eingenistet. Novemberblues. Ich schickte ihn fort, indem ich mir das Gespräch mit Kurt in der Küche des windschiefen Fachwerkhauses noch einmal in Erinnerung rief.
    »Es wäre nicht gerade fair Bea gegenüber, ihr das hier zu verschweigen«, sagte ich schließlich.
    »Stimmt. Fair ist das nicht. Aber ich sehe keinen anderen Weg.« Volker reckte sich.
    »Wenn Kurt aussagen würde, könnte man doch den Matzek drankriegen, oder?«
    »Und Kurt hätte einen Prozess wegen Erpressung und wegen der Sprengerei am Arsch.«
    »Und wenn ich meine Anzeige zurückziehen würde?«
    »Mit Handgranaten zu hantieren ist keine Privatsache. Die fallen unter das Waffengesetz. Das ist Gefährdung der Öffentlichkeit. So was kann nicht einfach fallen gelassen werden«, wandte Volker ein.
    »Aber die Sache mit der Handgranate war doch in gewisser Weise Notwehr. Und wie gesagt: Wenn ich nicht Anzeige gegen ihn erstatte …«
    »Vielleicht hat Max da auch noch ein Wörtchen mitzureden? Wie geht es ihm überhaupt?«
    »Ich habe heute früh mit dem Krankenhaus telefoniert. Das MRT gestern sah sehr gut aus. Morgen lassen sie ihn aufwachen. Dann beobachten sie ihn noch ein paar Tage. Und wenn sich keine Komplikationen einstellen, kann er bald nach Hause.«
    »Das ist ja mal eine wirklich gute Nachricht.«
    »Ja.« Plötzlich fühlte ich mich sehr froh.
    »Auf jeden Fall kannst du nicht mit Bea reden, wenn Kurt damit nicht einverstanden ist.«
    »Ich muss jetzt fahren.« Ich gähnte herzhaft. »Meine Monster warten auf Futter. Ich bin schon lange überfällig. Außerdem möchte ich mir die Sache noch mal durch den Kopf gehen lassen. Allein.«
    »Tja dann«, sagte Volker. »Man sieht sich, wie man hier im Pott so schön sagt.« Er stieg aus und ging zu seinem Wagen, den er ein Stück weiter den Feldweg hinunter wagemutig an den Rand gequetscht hatte.

DREIZEHN
    Ich rief im Büro an, erklärte meinem Chef die Situation mit Max und teilte ihm mit, dass ich aus familiären Gründen kurzfristig den heutigen Tag, wenn nicht noch weitere Tage, Urlaub nehmen müsse. Ich stieß auf Verständnis, versprach, mich zu melden, sobald ich Näheres wusste, und legte auf.
    Dann lief ich mit bangem Herzen hinüber ins Klinikum und wartete darauf, dass Max die Augen aufschlug. Als er es schließlich tat, hielt ich seine Hand. Seine Blicke wanderten durch den hellen Raum. Blieben an den Blumen hängen, die ich auf den Nachttisch gestellt hatte, und kehrten zu meinem Gesicht zurück. Längere Zeit sagte er kein Wort. Er sah erstaunt aus, und ich fragte mich, ob er mich überhaupt erkannte. Dann räusperte er sich. »Durst«, sagte er und leckte sich über die trockenen Lippen.
    Ich führte ihm eine Schnabeltasse mit lauwarmem Tee an den Mund und sah zu, wie er gierig trank. Dann wanderten seine Augen zu mir zurück.
    »Was hast du mit deinen Haaren angestellt?«, fragte er schließlich. »Die waren doch nicht so rot?« Er lächelte mich an.
    »Herbstlaub.« Eine warme Welle der Erleichterung flutete durch meinen Körper.
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