Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Innenhafen

Innenhafen

Titel: Innenhafen
Autoren: Ursula Sternberg
Vom Netzwerk:
Aber sie wollten alles zurück, und die Fotos und die Fotokopien, das ganze Material, das ich gesammelt hatte …«
    »Das war aber alles in Onkel Gerhards Hütte, oder?«
    »Quatsch.« Kurt grinste. »Die Kamera ja, klar. Aber ich hatte mich natürlich abgesichert. Mehrere Kopien gemacht und die Fotos auf CDgebrannt. Doppelt gemoppelt hält besser.«
    »Und wo war das Zeug?«
    »Im Schließfach. Hab ich denen auch gesagt. Und dass der Schlüssel in Irinas Wohnung sei, wovon sie allerdings nichts wüsste, also von dem Schlüssel in ihrer Wohnung.« Er sah aus dem Fenster. »Wir sind dann hoch, um den Schlüssel zu holen.«
    »Weiter«, drängelte ich.
    »Der eine, der Matzek, blieb bei Irina. Der andere stieg zu mir ins Auto. Wir sind nach Duisburg zum Hauptbahnhof und haben den Koffer aus dem Schließfach geholt. Dann hat der Zirkow mit dem Matzek telefoniert und gesagt, dass das Zeug da ist. Und ich hab gesagt, dass sie jetzt sofort Irina freilassen sollen, sonst würde ich den ganzen Bahnhof zusammenbrüllen. Da war dann Schluss mit lustig.«
    »Na, lustig war es doch auch schon vorher nicht«, sagte ich trocken.
    »Ich hab wieder ‘ne Nachricht aufs Handy bekommen. Ein weiteres Foto von Irina mit diesem Schnitt auf der Wange, alles voller Blut. ›Keine Spielchen, sonst mache ich sie fertig!‹, stand darunter. Da bin ich mit dem Koffer und dem Zirkow brav zurück zum Auto gegangen. Ich musste fahren, und der Zirkow hat wieder telefoniert. Als er aufgelegt hatte, hat er mir gesagt, dass Matzek auf dem Weg ins Ausland sei und Irina jetzt frei wäre. Ich hatte nur noch dieses Bild vor Augen: Irina mit diesem blutenden Schnitt im Gesicht. Diese Arschlöcher!«
    »Wie kam es zu dem Unfall?«, fragte Volker vorsichtig.
    »Unfall!«, schimpfte Kurt. »Von wegen. Also, ich bin gefahren. Hab ich ja schon gesagt. Er hat mit seinem Handy rumhantiert und telefoniert. Dann hielt er mir plötzlich eine Wumme unter die Nase. ›Fahr rechts ran‹, hat er kommandiert. ›Auf den Seitenstreifen. Anhalten!‹ Er hat in aller Seelenruhe die Tür geöffnet und wollte mit dem Koffer aus dem Auto raus. Da hatte ich plötzlich die Handgranate in der Hand.«
    »Welche Handgranate?«, fragte Volker verwirrt.
    »Die hat er von Schiller geklaut.« Noch während ich das sagte, wurde mir bewusst, dass ich es versäumt hatte, Volker von Schiller zu erzählen.
    »Schiller?«, fragte der auch prompt.
    »Geklaut? Stimmt doch gar nicht. Die haben wir beim Entrümpeln von Onkel Gerhards Haus gefunden.« Kurtis Tonfall klang so, als hätte das jeder wissen müssen. Aber er hatte ein Einsehen. »In einer Kiste im Schuppen, da lagen sie. Drei Stück. Schiller hat sie aufbewahrt, und ich habe sie mir von ihm geliehen, zum Schutz. Rein rechtlich betrachtet gehören sie ohnehin mir«, erklärte er.
    »Rein rechtlich betrachtet tun sie das nicht, denn erstens lebt dein Onkel Gerhard noch, und zweitens seid ihr nicht verwandt miteinander. Und rein vernünftig betrachtet ruft man Polizei oder Ordnungsamt oder weiß der Teufel wen, wenn man so ein Zeug findet.«
    »Aber …«
    »Sie hat völlig recht, Paps«, mischte Bettina sich ein.
    »Aber ich wurde doch bedroht!«, sagte Kurt empört.
    »Und mit der Handgranate hast du nun Zirkow bedroht, der seinerseits dich mit seiner Pistole bedroht hat.«
    »Ja. Ich habe ihm gesagt, dass er mit mir in die Luft geht, wenn er schießt. War eine Patt-Situation, irgendwie. Und dann bin ich plötzlich durchgedreht. Ich bin losgerast mit offener Beifahrertür, er griff mir ins Steuer, hatte ganz schöne Panik, der Junge, der Wagen geriet ins Schleudern, aber vom Gas bin ich nicht runtergegangen. Und dann war da plötzlich dieser Tanklastzug und hat uns gerammt, und wir sind voll vor den Brückenpfeiler geknallt.«
    Ich seufzte.
    »Ich hab gehört, wie der Tanker ins Schleudern geriet und durch die Leitplanke gekracht ist. Und dann war es still. Ganz still. Zirkow sagte keinen Mucks mehr. Konnte er auch gar nicht. Der ist nämlich durch die Scheibe geknallt. War ja auch nicht mehr angeschnallt, und ‘nen Airbag auf der Beifahrerseite habe ich nun mal nicht. Er hing halb auf der Motorhaube, alles voller Blut. Aber er hatte keinen Puls mehr, ich schwör’s. Ich hab die Knarre aufgehoben und hab mir den Koffer geschnappt. Erst wollte ich einfach abhauen. Doch dann hatte ich die Idee.«
    »Die Handgranate«, sagte ich trocken.
    »Ja, gut, nicht wahr? Echt zündend.« Kurt sah mich an wie ein kleines Kind, das gelobt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher