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Infektiöse Visionen (German Edition)

Infektiöse Visionen (German Edition)

Titel: Infektiöse Visionen (German Edition)
Autoren: Manfred Köhler
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ging: Sebastian, Sebastian – der aus der Schule, der hier um die Ecke wohnt und immer mal vorbeiradelt, wieso ruft der mich an und klingt plötzlich so ganz anders, meldet sich so vertraut, und wie reagiere ich jetzt?
    „ Myriam, bist du noch dran?“
    „ Ja, hallo, ich hab bloß gerade...“
    „ ...dich gefragt, wer ich überhaupt bin?“
    „ Nein, das ... weiß ich doch.“
    „ Dich gefragt, was ich will?“
    „ Na ja, tja, also...“
    „ Dich gefreut, dass ich anrufe? Das wurde auch wirklich mal Zeit.“
    „ Wieso, inwiefern?“
    „ Es ist ja nicht mehr lange bis zum Abitur-Ball, und ich wollte dich fragen, ob du mit mir hingehst.“
    „ Was?“
    „ Oder hat dich schon jemand anders gefragt?“
    „ Nein, natürlich nicht, aber...“
    „ Dann gehst du mit mir?“
    „ Also, sag mal, das ist doch Unsinn. Zum Abi-Ball geht man nicht mit jemand zusammen wie zu einem Tanzstunden-Abschlussball.“
    „ Aber wir gehen doch sowieso beide hin.“
    „ Das ist es ja gerade.“
    „ Also können wir auch miteinander gehen.“
    „ Das sind noch über drei Monate bis dahin, und außerdem...“
    „ Ja?“
    „ Selbst wenn ich keinen Freund hätte, würde ich doch nicht ausgerechnet mit dir...“
    „ Aber wieso?“
    „ Wir kennen uns überhaupt nicht.“
    „ Bis in drei Monaten ist noch genug Zeit, uns kennenzulernen.“
    „ Das mag sein, aber...“
    „ Pass auf, ich komme in einer Stunde bei dir vorbei, und dann könnten wir zusammen was unternehmen. Vielleicht Eis essen?“
    „ Jetzt im März? Also, ich weiß nicht, ob da überhaupt schon...“
    „ Dann Eislaufen? Das magst du doch, und die Eisbahn ist auch noch offen.“
    „ Schon. Aber woher weißt du denn, dass ich das mag?“
    „ Hab ich nur so geraten.“
    Sie schwieg für einen Moment. Eislaufen passte ihr offenbar nicht ins Konzept, also setzte ich gleich nach:
    „ Dann einfach nur ein bisschen spazieren gehen?“
    „ Spazieren gehen?“
    „ Oder auch laufen. Bei dir hinten über den Feldweg in den Wald?“
    „ Ja, aber...“
    „ Oder bist du heute schon gelaufen?“
    „ Nein, aber...“
    „ Also dann in einer Stunde?“
    „ Mal sehen.“
    „ Super. Bis dann.“
     

    Sie war da.
    In ihren Trainingssachen, einer langen Sporthose, Sweatshirt und blauem Stirnband um die langen blonden Haare, kam sie gerade den Gartenweg vom Haus ihrer Eltern zur Straße entlang und machte ein Gesicht, dem man die Unsicherheit und Verlegenheit ansah. Aber auch Neugier. Und ihr Lächeln war alles andere als abweisend, als sie mich entdeckte.
    „ Also, wollen wir?“
    Ich hielt ihr das Gartentürchen auf.
    „ Du willst gleich loslaufen?“, fragte sie.
    „ Oder machst du dich erst warm?“
    „ Nein.“
    Sie machte einen angedeuteten Rundblick über die Nachbarhäuser, der zum Ausdruck brachte, dass sie hier auf dem Präsentierteller keine Dehnübungen zu machen gedachte.
    „ Na dann.“
    Ich lief los, und nach einem Moment des Zögerns folgte sie mir.
    „ Man könnte meinen...“, sagte sie schnaufend, als wir an der Buswendeschleife vom Asphalt auf den Feldweg kamen.
    „ Was?“
    „ Man könnte meinen, dass du mich... nur angerufen hast, um... joggen zu gehen.“
    „ Wieso?“
    „ Na weil du... einfach losläufst.“
    „ Du wolltest doch nicht... dich aufwärmen...“
    „ Ich weiß, aber... das mein ich nicht.“
    „ Was dann?“
    „ Warum hast du überhaupt angerufen?“
    Ich warf ihr einen Seitenblick zu und lächelte.
    „ Ich hatte immer gehofft, dich hier mal zufällig zu treffen. Aber das hat nie geklappt. Und in der Schule war irgendwie auch nie Gelegenheit, also...“
    „ Aber du bist doch mit Elli zusammen.“
    „ Mit wem?“
    „ Manuela, aus der K12 im Kant-Gymnasium.“
    „ Die kennst du?“
    „ Kennen ist wohl zu viel gesagt.“
    An der ersten Gabelung des Waldweges zog ich nach links, und Myriam hielt sich an meiner Seite, als sei der Weg ausgemacht. Es wurde dunkler, denn aus dem um diese Jahreszeit laublosen Buchen- und Erlenwald gerieten wir unversehens in eine Fichten-Monokultur. Wir hatten einen Laufrhythmus gefunden, der Luft zum Reden ließ.
    „ Also, was ist nun mit Elli?“
    „ Mit der bin ich doch schon lange nicht mehr zusammen.“
    „ Wie lange?“
    „ Ungefähr seit Mitte Dezember.“
    „ Und wieso?“
    Ich lachte auf.
    „ Du stellst Fragen. Was ist überhaupt mit deinem Freund?“
    „ Was soll da sein?“
    „ Na, ich weiß nicht mal, wer es sein könnte. Der Knut?“
    „ Wie kommst du denn auf
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