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Infektiöse Visionen (German Edition)

Infektiöse Visionen (German Edition)

Titel: Infektiöse Visionen (German Edition)
Autoren: Manfred Köhler
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Schlüssel gegeben hat. Du durftest sie verstecken.“
    „ Damit sie mich nie mehr einsperren kann, ja. Aber ich versteckte die Schlüssel nicht, sondern nahm sie überall hin mit. Das hatte ich völlig vergessen.“ Er stockte, schüttelte den Kopf. „Ich wusste schon gar nicht mehr, warum ich das mache.“
    Gedankenverloren wechselte er den Dolch in seine Fackelhand, zog den Schlüsselbund aus seiner Tasche und starrte ihn an.
    „ Du brauchst ihn nicht mehr. Euer Haus ist weg, und deine Mutter kann dich nie mehr einsperren. Von ihr bist du frei.“
    Sein Blick hing an den Schlüsseln, und er schüttelte den Kopf: hin und her, hin und her.
    „ Völlig vergessen hatte ich das.“
    „ Und es gibt noch etwas, dass du vergessen hast“, hakte ich ein und bekam prompt die Bestätigung, dass ich den rechten Zeitpunkt erwischt hatte. Ein blaues Leuchten umflirrte Sebastians Gestalt. Es war wie eine Aura, eine zweite Seele, die heraustrieb aus ihm, wieder hineintauchen wollte, aber keinen Halt mehr fand, kein Schlupfloch.
    „ Was?“, fragte Sebastian traumverloren und ließ den Schlüsselbund fallen. Der klirrende Aufschlag ließ uns alle erschrecken, Menschen und Geister.
    „ Du hast es in deinen ersten Bericht geschrieben.“
    „ Was?“
    Ich schüttelte den Kopf.
    „ Da musst du selbst drauf kommen.“
    Seine Schultern zuckten, sein Kopf wackelte, seine Mimik tänzelte. Der blaue Schatten umtobte ihn wie wirbelnder Nebelsturm.
    „ Sie haben doch zu mir gesagt, ich soll nicht mehr tun, was er sagt, mich ihm verweigern, aber das hat nicht funktioniert.“
    „ Ich weiß, das war nur geraten und falsch.“
    „ Dann haben Sie gesagt, ich soll genau das tun, was er will.“
    „ Das war genauso falsch. Ich habe etwas nicht bedacht.“
    „ Was? - Halt’s Maul!“
    Das Leuchten war verschwunden, die Gestalt hatte sich gestrafft, die Froschaugen traten hervor.
    „ Er hat auch was für dich getan, und deshalb willst du ihn gar nicht gehen lassen. Du hast Angst, er nimmt es dir wieder weg.“
    „ Ich weiß nicht... – Halt’s Maul! Stubenfeuer, nun mach schon!“
    „ Du musst etwas opfern, Sebastian, und du weißt ganz genau, was das ist. Ein großes, schweres Opfer.“
    „ Aber das kann ich nicht. Meine Zukunft... Ich kann doch nicht... meine Zukunft...“
    Ich schüttelte mitfühlend den Kopf.
    „ Deine Zukunft hast du in dem Augenblick verspielt, in dem du dir die Füße erfroren hast. Das lässt sich nie mehr rückgängig machen. Auch nicht mit seiner Hilfe, nicht auf Dauer.“
    Der Mann im Arbeitsanzug griff nach meinem Arm und drückte zu. Ich wendete den Kopf so weit es ging vom Giftbecher ab, den er mir an den Mund halten wollte.
    „ Denk an die erste Nacht, Sebastian, an den Befall! Denk daran, warum du ihn auf deiner Seite wolltest. Du hast alles aufgeschrieben.“
    Ein Schwapps der gelben Flüssigkeit nässte meine Lippen. Ich biss den Mund zusammen, versuchte meinen Arm zu befreien, den Kopf noch weiter wegzudrehen. Stubenfeuer keilte mich gegen den Sarg, presste mir den Becher an die Lippen, neigte ihn, ließ meinen Arm los, griff mit der Hand an meine Kehle, quetschte mit brutaler Gewalt dort, wo der Kieferknochen in den Hals überging, und ich spürte, wie der Griff meine Lippen öffnete.
    Etwas grollte und grummelte, kurz bevor das Gift in meinen Mund fließen konnte, es klang wie der Beginn einer Eruption.
    Der Druck an meinem Hals ließ nach, der Becher verschwand. Stubenfeuer drehte sich dorthin, wo das Grollen erklungen war.
     

    Sebastian starrte nach unten. Er hatte das Fingerknöchelchen des Blauen Frosches aus seiner Tasche geholt, fallen gelassen, hatte den Fuß gehoben, und jetzt zerstampfte er den Knochen mit einem entschlossenen Tritt zu grauweißem Dreck. Im selben Moment glitt der blaue Schemen, der Sebastians Körper umwabert hatte, wie von der Schwerkraft nach unten gerissen zu Boden, perlte ab wie Wasser, versackte in seine Beine, sank von den Oberschenkeln in die Unterschenkel und schließlich in die Füße.
    Sebastian ließ Dolch und Fackel fallen und sah an sich hinunter. Das blaue Leuchten konzentrierte sich in seinen Füßen, strahlte noch einmal kurz und heftig auf, es sah so aus als mache etwas Geducktes, Fettes, Qualliges einen Satz in Richtung Wendelin Forberig, springe ihm gegen die Brust und dringe dort ein – dann war der Spuk verschwunden.
    Deutlich zu erkennen im Licht der Fackel, die neben Sebastian am Boden der Gruft weiter loderte, begann eine frappierende
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