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Infektiöse Visionen (German Edition)

Infektiöse Visionen (German Edition)

Titel: Infektiöse Visionen (German Edition)
Autoren: Manfred Köhler
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aus dem Gang näherte, sahen den tanzenden Lichtern zu, die mit jedem Schritt der Feinde heller wurden und schließlich grell flackerten.
    Kein Wort wurde gesprochen.
    Wir spürten die Anwesenheit der Familie von Beerenberg-Ehrmannstein, und als die Fackeln sich senkten, erkannten wir auch die Körper, in denen die verlorenen Seelen nun steckten.
    „ Willkommen daheim“, sagte der Blaue Frosch mit dem Mund und der Stimme von Sebastian Forberig. „Willkommen in eurer Gruft.“
    Sie standen da, wie man sie aus ihrem eigenen Leben heraus kannte, meine Vera in Latzhosen und Fleckfarben-Shirt, Sebastian in Fußballhosen, T-Shirt und Sandalen, seine Mutter feine Dame im Kleid, der Vater feiner Herr im Anzug, ein fremder Mann im Hintergrund, Herr Franz, wie ich aus den Berichten wusste. Die Gesichter wirkten versteinert im flackernden Leuchten der Fackeln. Jeder umkrallte in jeder rechten Faust einen schwertartigen Dolch. So umringten sie uns und drängten uns an die Särge.
    „ Wir haben zur Begrüßung etwas angerichtet“, sagte Sebastian freundlich, was der Blaue Frosch zu sagen wünschte. „Bitte nehmt jeder einen tiefen Schluck. Und dann dürft ihr in eure Särge steigen und es euch bequem machen zur Ewigen Ruhe.“
    Wir starrten alle auf die Karaffe mit der trübgelben Flüssigkeit. Es war nicht nötig, zu fragen, um was es sich handelte. Kaum den Gedanken daran gedacht, schaute Sebastian mich an und erklärte:
    „ Es ist die gleiche Mischung, praktisch eins zu eins. Auge um Auge. Es soll euch nicht besser oder schlechter gehen als uns. Wenn ihr Glück habt, und das werdet ihr wohl leider haben, dann wird es so schnell gehen wie bei allen außer mir. Wer Pech hat, der wird seinen Sarg so manche Nacht als Bett gebrauchen, während wir hier unten neben ihm wachen, so wie ihr für mich wachtet – drei elende qualvolle Jahre lang.“
    „ Warum jetzt?“, hörte ich mich fragen.
    „ Was?“
    Sebastians Blick saugte sich an mir fest mit seinen froschartig blauen Geisteraugen.
    „ Nach all den Jahrhunderten, warum jetzt auf einmal diese inszenierte Hinrichtung?“
    „ Das fragst du, elende Stubenfeuerin?“
    „ Ich bin nicht...“
    Oh doch, ich war. Ich spürte sie in mir herumgeistern in Panik, wieder herauswollen aus mir, davonlaufen, angreifen, Hass versprühen.
    „ Ihr habt uns bereits verbrannt und alle unsere männlichen Nachfahren ausgelöscht“, sagte ich mit einer anderen Stimme als meiner. „Das wart ihr doch, ihr Geister. Keine glückliche Minute hatten wir in unserem Schloss.“
    „ Eurem Schloss! Ich sollte euch...“
    Mit einem Fauchen stieß Sebastian mit vorgestreckter Fackel und gezücktem Dolch auf mich zu und hielt erst inne, als mein Hut schon schmorte und die Dolchspitze mich am Bauch ritzte.
    „ ...einfach anzünden. Aber das ginge viel zu schnell. Und einmal mehr verbrennen, macht die Rache auch nicht süßer. Gift sollt ihr schlucken und in euren Adern brennen fühlen, so quälend lange wie nur möglich.“
    „ Wir sind nicht sie.“
    Er starrte mich nur an und lächelte dümmlich.
    „ Und du bist nicht er. Ihr alle... seid nicht sie.“
    „ Trinkt jetzt!“
    „ Er hat deine Freundin Myriam umgebracht!“
    „ Trinkt!“
    Sie zogen den Ring um uns enger. Stubenfeuer und ich, wir waren eingekeilt zwischen den neuen Särgen links und rechts, in denen liegend unser Leben vom Gift gefressen werden sollte, und vor und hinter uns standen sie mit ihren Dolchen und Fackeln. Die anderen waren wie Marionetten, bloße Zombies – Sebastian war es, der Blaue Frosch, der alles lenkte und den wir zu fürchten hatten. Das wusste ich und das träufelte die Stubenfeuerin meinem Geist und meiner Seele ein.
    „ Sebastian“, rief ich deshalb und noch einmal: „Sebastian!“
    Aber in seinem Körper schien er nicht mehr zu sein, war verdrängt und außer sich, der Blaue Frosch hatte ihn ganz übernommen.
    „ Unsere Sache ist gerecht“, behauptete er. Es klang ein bisschen zweifelnd, wie Rechtfertigung, und ich erkannte, dass ich die Tür zu ihm, zu Sebastian, dem unschuldigen Kind, einen kleinen Spalt geöffnet hatte. Er war noch da, irgendwo in einem hinteren Winkel seiner früheren Existenz.
    „ Das ist keine gerechte Sache!“
    „ Ist es wohl! Trinkt jetzt endlich! Oder ihr werden zu spüren bekommen, dass wir mit Feuer und Schwert viel mehr an Schmerzen anrichten können als mit den Giftbechern. Sie zu leeren ist eine Gnade für euch!“
    „ Du denkst, der Blaue Frosch und die Seinen waren
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