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Indigosommer

Indigosommer

Titel: Indigosommer
Autoren: Antje Babendererde
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denn los?«, fragte ich, als wir draußen standen.
    »Das Campen ist teurer geworden«, brummte Alec verstimmt. »Pro Zelt und Nacht fünf Dollar mehr als letztes Jahr. Der Typ war total unfreundlich. Er meinte, wir sollten drüben in Mora campen, wenn es uns hier nicht passt.«
    »Aber in Mora gibt es keinen Swell vor der Haustür.« Josh grinste und klopfte Alec auf die Schulter. »Ach komm, Alter, lass dir doch von so einem Wichtigtuer nicht die Laune verderben.«
    Alec zuckte mit den Achseln.
    »Was bekommst du denn von mir?«, fragte ich ihn.
    »Nichts«, sagte Alec. »Mom und Dad haben mir Geld gegeben, auch für dich.«
    »Okay, aber...«
    Alec machte eine Handbewegung, die keinen Widerspruch zuließ. »Kein aber, Midget. Was das Campen angeht, bist du eingeladen, okay?«
    »Okay«, sagte ich leise. Josh nickte mir grinsend zu.
    Während wir auf die anderen warteten, kam der Indianerjunge mit dem Zopf aus dem Supermarkt. Er hatte vier Dosen Coke in den Händen und blickte zu uns herüber. Nun sah ich auch sein Gesicht. Es war dunkel und gut aussehend, doch im schwarzen Blick des Jungen lag eine so unverhohlene Feindseligkeit, dass mir ein eisiger Schauer über den Rücken kroch und ich eine Gänsehaut bekam. Ich schluckte. Plötzlich kam ich mir vor wie ein Eindringling, ein Fremdkörper. Ich wollte wegsehen, als der Indianer in ein paar Metern Entfernung an uns vorbeiging, tat es aber nicht. Unsere Blicke trafen sich. Ich merkte, wie ein Ruck durch seinen Körper ging und er mich sekundenlang irritiert anstarrte. Meine Augen, dachte ich und sah rasch zu Boden, bis er vorüber war.
    Er ging zu seinen Freunden, die jetzt vor der Bank standen. Der Wolfshund sprang bellend an ihm hoch. Der Indianer verteilte die Coladosen, öffnete sich selbst eine, legte den Kopf in den Nacken und trank.
    Zufällig bekam ich mit, wie Alec und Josh vielsagende Blicke wechselten. Es war nur ein kurzes Aufblitzen, aber ich hatte es gesehen. Irgendetwas schwebte hier in der Luft, etwas, das nicht zu greifen war. Ich spürte es und konnte nichts damit anfangen. Aber es verunsicherte mich.
    Sie sind wieder da .
    Beinahe hat er den großen Blonden nicht erkannt, der Dreads wegen. Aber jetzt ist er sich sicher, denn er hat auch die beiden anderen gesehen: den Supersurfer und den Typen mit den braunen Locken.
    Justins Mörder.
    Was sie getan haben, ist ihnen offensichtlich gleichgültig. Sie kennen keine Schuldgefühle, in ihnen ist kein Funken Reue. Sie sind zurückgekommen, haben diesmal ein paar Mädchen mitgebracht und tun so, als wäre es nie passiert.
    Schnell und heftig wie ein Messer dringt der Schmerz in Conrads Brust und hinterlässt eine offene Wunde, pulsierend und heiß. Dunkler Hass erfüllt ihn, das Blut pocht in seinen Schläfen, er bekommt keine Luft. Die Erinnerung bricht über ihn herein wie ein kalter Sturm. Er sieht alles ganz deutlich vor sich, als wäre es gestern gewesen. Es ist der Tag, den er nie vergessen wird, der Tag, an dem sein Bruder Justin starb.
    Der bloße Anblick der Surfer ruft das zurück, was Conrad in den vergangenen Monaten zu verdrängen versucht hat. Was Justins Tod aus ihm gemacht hat: ein Halbwesen, geplagt von Albträumen und Schlaflosigkeit, von Hass, der an ihm frisst wie ein wildes Tier und sein Leben im Chaos versinken lässt.
    Der Ozean hat seinen Bruder verschlungen, doch Conrad gibt dem Meer keine Schuld. Die wahren Schuldigen stehen hier vor dem Supermarkt, schwatzen fröhlich, haben Spaß, sind am Leben.
    Sie werden den First Beach belagern, so wie sie es im vergangenen Jahr auch getan hatten. Sie werden so tun, als gehöre der Strand ihnen.
    Ein zorniger Laut kommt aus Conrads Kehle. Milo wirft seine leere Coladose in den Abfalleimer neben der Bank und sieht den Freund fragend an. »Alles klar, Kumpel?«
    »Sie sind wieder da«, würgt Conrad hervor.
    Milos schwarze Augen funkeln, kurz sieht er hinüber zu den Surfern und dann wieder zu Conrad. »Bist du dir sicher?«
    »Ja. Zuerst habe ich sie auch nicht erkannt, wegen der Surfer-Tussis. Aber sie sind es.« Er ballt die Rechte zur Faust, zerdrückt die Coladose mit einem lauten Knacken.
    Milo packt ihn an der Schulter. »Reiß dich verdammt noch mal zusammen, okay?«
    Sassy, Milos Freundin, legt eine Hand auf Conrads Arm und sieht ihn mit ihrem runden Mondgesicht mitleidig an. »Er ist tot, Con, und deine Wut macht ihn auch nicht wieder lebendig«, sagt sie sanft. »Dein Bruder hat getan, was er tun musste. So war er, du hast es
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