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Indigosommer

Indigosommer

Titel: Indigosommer
Autoren: Antje Babendererde
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unsichtbar.
    Brandee hing ziemlich lange an Alecs Hals und es war nur zu offensichtlich, dass ich das sehen sollte. Ich fühlte, wie sich mein Magen zusammenzog. Hatte Alec gemerkt, dass ich ihn anhimmelte (wie peinlich), und es seinen Freunden erzählt? Wollte Brandee mir zeigen, dass er ihr gehörte und ich mir keine Hoffnungen zu machen brauchte?
    Ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen, doch bei dem Gedanken, drei Wochen lang mit diesem Mädchen auskommen zu müssen, erfasste mich leise Panik.
    Smilla, du passt überhaupt nicht in die Clique, dachte ich. Da liegen Welten zwischen dir und diesen Supergirls und Superboys.
    Doch ehe ich mich weiter hineinsteigern konnte, begrüßte mich Mark, ein athletischer dunkler Hüne mit asiatischen Gesichtszügen und langen schwarzen Dreadlocks, die er mit einem bunten Tuch zusammengebunden hatte. Um den Hals trug er ein Lederband mit einer kleinen Muschel. Er lächelte, als er mich begrüßte, und gab mir als Einziger die Hand. Sein Händedruck war warm und fest. Seine Augen leuchteten in einem warmen Braungrün.
    Ich war hin-und hergerissen. Drei Jungen und vier Mädchen, dachte ich. Eine zu viel: ich, das Küken, der Zwerg .
    Noch hätte ich es mir anders überlegen können, hätte eine Ausrede erfinden können, um hierzubleiben. Alec wäre bestimmt nicht böse drum gewesen. Aber da packte er auch schon meine Sachen in den Kombi und seine Mutter, die mit Warren aus dem Haus gekommen war, um uns zu verabschieden, legte den Arm um meine Schultern.
    »Lauter nette junge Leute«, sagte Monica fröhlich. »Du wirst bestimmt deinen Spaß haben.«
    Ich nickte mechanisch. Sie hatte ja recht. Ich würde Spaß haben, das war es schließlich, was ich mir gewünscht hatte. Trotzdem sah ich der Reise mit gemischten Gefühlen entgegen. Keine Ahnung, warum mir beim Anblick der Truppe auf einmal mulmig zumute wurde. Etwas störte mich an ihnen. Sie kamen mir so perfekt, so sorglos, so selbstsicher vor in ihren lässigen, aber teuren Klamotten, in denen sie aussahen, als kämen sie aus der Werbung für Old Navy . Alle waren gerade gewachsen und groß. Keiner von ihnen hatte einen äußerlichen Makel, dafür hatten ihre offensichtlich reichen Eltern gesorgt. Es gab keine schiefen Zähne, keine Brille, keine verunglückte Nase, nicht mal einen winzigen Pickel im Gesicht. Alle sechs sahen aus, als wären sie direkt einem dieser Hochglanz-Surfermagazine entsprungen, die bei Alec im Zimmer lagen.
    Was soll’s, dachte ich, sie sind Surfer. Eine Spezies für sich. Ich war zwar klein, aber kein hässliches Entlein und würde schon mit ihnen klarkommen. Janice war schließlich nur ein Jahr älter als ich. Sie und Alec waren meine Freunde. Und Josh – Josh war auf die Idee gekommen, mich mitzunehmen, und er flirtete sogar mit mir. Zwar war er nicht der, mit dem ich gerne geflirtet hätte, aber es tröstete mich. Nach Sebastians gefühlloser Abschiedsnummer und dem Verlust meiner Haare stand mein verbliebenes Selbstwertgefühl noch etwas auf wackligen Füßen. Ein wenig männliche Aufmerksamkeit konnte ich ganz gut gebrauchen.
    Wir verabschiedeten uns von Warren und Monica und stiegen ein. Brandee schwang sich auf den Beifahrersitz von Alecs Kombi, Janice und ich saßen auf der Rückbank. Mark und Laura fuhren mit Josh im Bus. Die Turners winkten, bis wir um die Ecke bogen.
    Der schnellste und kürzeste Weg auf die Olympic-Halbinsel war die Fähre. Im Hafen kauften wir Tickets nach Bainbridge und eine halbe Stunde später legte das Schiff mit den Autos im Bauch ab. Wir gingen an Deck, um die Skyline der Stadt zu sehen. Für einen Augenblick riss die Wolkendecke auf und ließ die Fassaden der Hochhäuser aufleuchten.
    Von meinen Eltern hatte ich eine neue Digitalkamera bekommen, ein verfrühtes Geburtstagsgeschenk, das ich jetzt einweihte. Klick, klick, klick . Bei dem Gedanken, dass Seattle für das nächste Jahr mein Zuhause sein sollte, durchzog mich ein freudiger Schauer.
    Janice nahm mich am Arm. »Komm mal mit«, sagte sie und schleppte mich auf die andere Seite der Fähre. Sie streckte die Hand aus und zeigte auf etwas in der Ferne. Ich sah Verladekräne und bunte Container und auf einmal entdecke ich ihn: den Berg. Wie ein Geist schwebte die schneebedeckte Kuppe des Mount Rainier über einem Ring aus Wolken.
    »Wow!«, sagte ich. Klick, klick, klick . Ich mochte das Geräusch meiner neuen Kamera.
    »Echt krass, oder? Den kriegt man nicht oft zu sehen.«
    Zwanzig Minuten später legte
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