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In tiefster Dunkelheit

In tiefster Dunkelheit

Titel: In tiefster Dunkelheit
Autoren: Debra Webb
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wetten. Wenn die Lady etwas zu sagen hatte, erwartete sie, dass jeder im Raum ihr genau zuhörte. Ganz gleich, wer sich gerade im Raum befand.
    »Es gibt zwei mögliche Erklärungen für das Verschwinden dieser jungen Frauen.« Sie lenkte die Blicke aller auf die Fotos an der Pinnwand. »Die eine ist«, sie verschränkte die Arme vor der Brust und starrte ihr aufmerksames, wiewohl verärgertes Publikum reihum an, »dass sie aus freiem Willen fortgegangen sind und nicht gefunden werden wollen. Sie sind alle alt genug, um diese Entscheidung nach ihrem Gutdünken treffen zu dürfen. Der einzige Grund für die Annahme, sie könnten Opfer eines Verbrechens geworden sein, sind die Aussagen der Familien, die übereinstimmend lauten, dass so etwas untypisch für sie ist. Ehrlich gesagt sind diese Aussagen meiner Meinung nach zu vernachlässigen. Welche Eltern würden schon etwas anderes sagen?«
    »Ausgeschlossen«, widersprach Chief Patterson. »Das Szenario haben wir bereits durchgekaut, Agent Harris, und es ist vom Tisch.« Er warf Dan einen wütenden Blick zu. »Ich weiß nicht, warum Sie nicht auf dem Laufenden sind, aber die Parsons kenne ich fast so gut wie meine eigene Familie.«
    »Macy und Callie sind Einser-Studentinnen«, ergänzte Griggs. »Es sind brave, intelligente Mädchen. Das würden sie weder sich noch ihren Familien jemals antun.«
    »Ich nehme an, auch Sie kennen diese Familien fast so gut wie Ihre eigene«, sagte Jess. »So wie Chief Patterson die Parsons kennt.«
    Die Spannung nahm zu und verdrängte die Luft im Raum. Der kurze Anflug von Belustigung über ihre Vorgehensweise verflüchtigte sich, Schweiß trat auf Dans Stirn. Jess musste dringend auf den Punkt kommen. Wenn es ihre Absicht war, alle hier am Tisch Anwesenden gegen sich aufzubringen, war sie auf dem besten Weg dazu.
    »Verdammt richtig, ja«, raunzte Griggs.
    »Burnett?«, fragte Patterson. »Was soll dieser Zirkus hier?«
    »Jess, vielleicht –«
    Ein zweites Mal hob sie gebieterisch die Hand, um Dan zum Schweigen zu bringen. »Na schön«, sagte sie ruhig. »Dann sehen wir uns mal die andere Möglichkeit näher an.«
    Dan biss die Zähne zusammen, um sich eine Erwiderung zu verkneifen. Nach ihrer unverblümten Zurechtweisung hatte er ziemliche Mühe, sich nicht in den Kreis aus gereizter Säuernis einzureihen, den seine Kollegen bereits bildeten. Jess war als Einzige immer noch kühl und gelassen, und zu ihrer aller Frustration war nicht abzusehen, worauf sie mit ihrer Vorstellung hinauswollte. Diese Leute hier brauchten –
er
brauchte – dringend Hilfe und keinen Nachhilfeunterricht darin, wie man eine Absicht aufdeckte oder ein Motiv feststellte.
    »Es scheint, als wären wir uns alle einig, dass es nur eine plausible Erklärung gibt. Diese Mädchen«, sie deutete erneut auf die Fotos, »hat irgendjemand gegen ihren Willen in seine Gewalt gebracht, und zwar mit der Absicht, ihnen etwas anzutun, sonst hätte es eine Lösegeldforderung gegeben. Wir könnten es folglich hier mit einem Menschenhändlerring zu tun haben, mit einem Sexualverbrecher oder mit einem guten alten Psychopathen.«
    Eine gequälte Stille gerann in der Luft und machte das Atmen schwer.
    »Wenn das tatsächlich der Fall ist«, fuhr Jess fort, »dann haben Sie«, sie zeigte auf Griggs, »und Sie«, dann auf Patterson, »relevante Details in Ihren Ermittlungen übersehen. Und du auch.« Zum Schluss sah sie Dan an.
    Verärgerte Blicke wurden getauscht, doch niemand widersprach. Sie hatte recht. Dagegen war schwerlich etwas zu sagen. Schuldbewusstsein gesellte sich zu der Last, die bereits auf Dans Schultern lag und ihm den Magen zuschnürte.
    »Sie sind alle lange genug im Geschäft, um zu wissen, was in diesem Fall und in jedem anderen am wichtigsten ist.« Sie machte eine Pause und stellte Augenkontakt mit jedem einzelnen Mitglied der Sonderkommission her. »Wenn eine Person eine Tat gegen eine andere Person begeht, ob gewaltsam oder nicht, dann steht am Anfang dieser Tat immer ein Motiv. Immer. Ob die Tat nun spontan aus einem Impuls heraus oder mit Vorsatz begangen wurde, es gibt ein Motiv. Ohne Ausnahme. Wer immer diese Mädchen in seine Gewalt gebracht hat, hatte ein Motiv dafür – ganz gleich, ob es ein Täter war oder vier verschiedene.«
    Jess ging zum Tisch und beugte sich vor, um sich mit den flachen Händen auf der polierten Holzplatte abzustützen. »Dieses Motiv müssen wir finden. Sonst suchen wir nicht nach vier jungen Frauen«, sie zeigte mit dem
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