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In tiefster Dunkelheit

In tiefster Dunkelheit

Titel: In tiefster Dunkelheit
Autoren: Debra Webb
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sein Urteilsvermögen beeinträchtigten, lag er mit seinem Bauchgefühl nur selten daneben. Vor mehr als zwanzig Jahren hatte er gewusst, dass sie sich von ihm trennen würde, noch bevor sie es selbst und zu ihrer eigenen Überraschung erkannt hatte. Genauso wie er gewusst hatte, dass er sie an diesem kalten, stürmischen Abend in diesem verdammten Publix hatte haben können. Auf sein Bauchgefühl würde sie immer wieder setzen.
    Nur hatte sie nie darauf zählen können, dass er sich für sie entschied statt für seine persönlichen oder beruflichen Ziele. So alt ihrer beider Geschichte auch war, das Loch, das sie in ihrem Herzen hinterlassen hatte, war nie ganz verheilt. Doch obwohl sie diese bittere Wahrheit kannte, hielt sie unwillkürlich die Luft an, als sie darauf wartete, was als Nächstes kam.
    »Ich brauche deine Hilfe, Jess.«
    Jess.
Die weichen, tiefen Nuancen seiner Stimme strichen über ihre Haut, und unversehens war alles wieder wie vor zehn Jahren.
    Nur würde sie dieses Mal dafür sorgen, dass sie nicht zusammen im Bett landeten.

2
    Andrea Denton kniff die Augen zusammen und versuchte gegen die Wirkung der Droge anzukämpfen. Was für eine weiße Tablette das war, die zu schlucken man sie gezwungen hatte, wusste sie nicht, wohl aber, dass sie schlecht für sie war. Die anderen Mädchen wirkten wie Zombies. So würde Andrea auch werden, wenn sie sich nicht mehr anstrengte. Das durfte sie nicht zulassen.
    Also stolperte und torkelte sie in der Dunkelheit auf und ab wie eine Betrunkene.
    Die anderen beiden Mädchen kauerten in der Ecke und wagten sich nicht zu rühren.
    Andrea drehte sich der Magen um, doch sie kämpfte gegen den Würgereiz an. Eine Handvoll Erde nach der anderen hatte sie von dem nackten, festgetrampelten Boden gekratzt und sie sich in den Mund gesteckt. Wie viele wusste sie nicht mehr. Vielleicht war es dumm, und wahrscheinlich hatte sie Rattenkacke und was nicht sonst noch alles geschluckt, aber immer wenn ihre Freunde dermaßen breit waren, aßen sie alles, was ihnen unter die Augen kam, und tanzten und liefen und hüpften herum, um den Alkohol oder die Drogen, die sie zum Feiern eingeworfen hatten, wieder abzubauen.
    Alles war besser, als nichts zu tun.
    Sie schleppte sich weiter. Ein- oder zweimal stieß sie gegen die metallenen Etagenbetten, die an der Wand aufgereiht standen. Die Federn quietschten schrill, wenn sie gezwungen wurden, sich hinzulegen. Das und der Haferbrei waren ihre einzige Möglichkeit, die Zeit zu messen. Ins Bett mussten sie wohl abends. Und Haferbrei gab es morgens. Ihr Kopf schmerzte, wenn sie versuchte sich zu erinnern, wie lange sie schon hier war. Drei Plastikschalen mit klumpigem, ungesüßtem Haferbrei.
    Auf der Suche nach einer Fluchtmöglichkeit hatte sie sich einmal durch den ganzen Raum getastet. Als eine Ratte über ihre Hände lief, hatte sie fast einen Herzanfall bekommen. Sie schauderte. Aber sie hatte weitergesucht. Es gab eine Tür, doch die war aus Stahl und hatte auf dieser Seite weder eine Klinke noch ein Schloss. Ein Kasten mit Wasserflaschen, von denen sie so viele, wie sie konnte, heruntergestürzt hatte, stand in einer Ecke, in der anderen ein stinkender Topf mit einem Deckel als Toilette.
    Nach dem ersten Tag hatte sie ihn benutzen müssen und sich von dem Gestank übergeben, der ihr entgegenschlug, als sie den Deckel hob. Nun war sie fest entschlossen, sich erst wieder darauf zu setzen, wenn sie absolut nicht mehr einhalten konnte. Die Wände waren aus Erde und Backstein, außer der, wo die Tür war, die fühlte sich anders an. Wie Holz oder so. Sie fand, es roch nach Keller. So wie der im Haus ihres Großonkels. Er hatte Andrea immer gesagt, es würde dort spuken, damit sie sich nicht heimlich hinunterschlich. Irgendwann hatte sie dann aber doch seine schmutzigen Magazine und seinen Vorrat an Gras entdeckt. Zwielichtiger alter Taugenichts.
    Als diese bösen Leute sie hierher gebracht hatten, hatte sie nichts sehen können, weil ein Sack über ihrem Kopf gewesen war. Vielleicht waren sie in einer Höhle, doch das glaubte sie nicht. In einer Höhle wäre der Boden aus Stein. Wahrscheinlich jedenfalls. Dieser Raum hier roch wie ein Keller.
    Doch auch der starke muffig-feuchte Geruch konnte den Gestank von menschlichen Exkrementen nicht überdecken, wo die anderen sich in die Hose gepinkelt hatten oder Schlimmeres. Wahrscheinlich, dachte Andrea, waren sie zu bedröhnt gewesen oder hatten zu viel Angst gehabt, um es bis zum Topf zu
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