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In sueßer Ruh

In sueßer Ruh

Titel: In sueßer Ruh
Autoren: C. E. Lawrence
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vorbereitet war, verlief eine Messingreling. Überall im Raum verteilt standen kleine viktorianische, mit unterschiedlichen Köstlichkeiten beladene Tischchen. Ein kleiner gelber Lichtblitz aus einer Apparatur in der Mitte der Decke zuckte über ihre Köpfe, und die Luft knisterte elektrisch.
    Die Steampunk-Fans hatten die gleichen käsigen Gesichter und schlaffen Körper, wie Lee sie schon einmal bei einer Science-Fiction-Convention gesehen hatte – und strahlten die gleiche Mischung aus Intelligenz und Unschuld aus. Trotz ihrer Kostümierung hatte Lee die Befürchtung, Butts und er würden in diesem exklusiven Ambiente auffallen. Doch die Anwesenden schienen andere kaum wahrzunehmen. Ihr Interesse galt eher den raffinierten Kostümen und der Einrichtung.
    Noch nie hatte er so viele Lederstiefel, Gürtel und Messingschnallen auf einem Haufen gesehen. Sie waren als Forscher und Piloten, Wissenschaftler und verrückte Ärzte beiderlei Geschlechts gekommen. Es gab etliche Vampirjäger, alle hatten Holzpflöcke an ihren Lederwesten oder an breiten Gurten, die ihnen über die Schulter hingen, befestigt.
    Und überall Schutzbrillen – große, kleine, komplizierte und einfache, meist mit Lederfassungen und altmodischen, dicken Gläsern. Manche wirkten sogar selbst gebastelt. Ein paar Leute hatten sie aufgesetzt und sahen damit aus wie Tom Ameise. Die meisten trugen sie jedoch als modisches Accessoire um ihre Mützen oder Zylinder geschlungen oder wie Sonnenbrillen einfach auf dem Kopf.
    »Woher wollen Sie wissen, ob er hier ist?«, fragte Butts, als sie sich durch das Gewühl überwiegend junger Menschen weißer Hautfarbe drängten.
    »Halten Sie Ausschau nach jemandem, der ins Profil passt«, sagte Lee.
    »Was ist mit dem Typen da?«, fragte Butts und zeigte auf einen bleichen jungen Mann in schwarzem Morgenrock und grau gestreifter Weste. Er war ganz offensichtlich als Edgar Allan Poe gekommen – der ausgestopfte Rabe auf seiner Schulter war ein Fingerzeig.
    »Glaube ich nicht«, sagte Lee. »Zu naheliegend. Unser Kerl würde nicht so ostentativ die Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollen.«
    Er wandte sich ab, um dem starren Blick einer molligen jungen Frau auszuweichen, die sich in ein weinrotes Korsett und einen bodenlangen schwarzen Satinrock gezwängt hatte. Langes Haar fiel ihr auf die Schultern, und die Haut ihres üppigen Busens war von einer Blässe, die er mit Tod verband. Ihre Augen waren mit schwarzem Kajal umrändert, ebenso die violett geschminkten Lippen. Sie hatte ihn einer schnellen Überprüfung unterzogen, wie einige andere der anwesenden jungen Damen auch.
    »Was haben Sie bloß an sich?«, murmelte Butts, der beobachtete, wie der Blick der jungen Frau Lee weiter folgte, als sie an ihr vorbeigingen. »Verdammter Frauenschwarm.«
    Lee zuckte mit den Achseln und drängte sich weiter durch das Gewimmel aus Leibern, die von tanzenden Lichtdolchen aus der großen Discokugel an der Decke besprenkelt wurden. Sie war mit kleinen Metallstiften versehen, die schmale Lichtklingen über den Boden der Tanzfläche wirbeln ließen. Lee stand in diesem Regen aus farbigen Lichtdolchen und beobachtete die Paare, die sich auf der Tanzfläche verbogen und wanden. Warum reicht das nicht?, fragte er sich. Warum mussten manche einander in Todesqualen winden lassen?
    Schrecken erzeugt Schrecken, hatte er gelernt. Manchmal gewann man den Eindruck, die sich ausdehnende Gewaltspirale, die die Menschheit plagte, nehme kein Ende. War das so in unseren Gehirnen angelegt, oder würde sich dieses Problem irgendwann einmal selbst überleben? Er hoffte Letzteres, befürchtete allerdings Ersteres.
    Er suchte weiter den Raum ab, in der Hoffnung, den Killer zu entdecken, bevor dieser ein neues Opfer fand.

KAPITEL 74
    Davey schnüffelte und rümpfte angeekelt die Nase. Gardenien. Er hasste Gardenien. In Momenten wie diesem wünschte er sich manchmal, sein Geruchsempfinden wäre nicht so ausgeprägt, nicht so fein eingestellt. Er versuchte, durch den Mund zu atmen, um dem verhassten Geruch zu entgehen, der in seinem Kopf für immer mit der Beerdigung seiner Schwester verbunden war. Es war der Geruch des Todes. Schön, prima, dachte er. Er würde ihnen den Tod zeigen. Mit verbissenem Grinsen schob er seinen dünnen Körper durch die Menschenmenge, schlängelte sich zwischen Grüppchen hindurch, die miteinander tanzten, lachten und sich unterhielten, und tat so, als wäre er einer von ihnen – dabei war er doch so ganz anders als sie. Er
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