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In seinem Bann

In seinem Bann

Titel: In seinem Bann
Autoren: Anais Goutier
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Troddeln am roten Anzug nahmen wir den Aufzug in den dritten Stock.
    Es war eine dieser nostalgischen Aufzugkabinen mit rotem Teppichboden und messinggefassten Verspiegelungen.
    »Ich wäre jetzt lieber mit dir allein«, knurrte Ian mit rauer Stimme an meinem Ohr.
    Dann hielt der Lift und die Tür öffnete sich, begleitet von einem altmodischen Klingeln.
    Die junge Frau im grauen Bleistiftrock mit weißer Bluse ging uns voran den hübschen Korridor entlang, der mit antiken Kleinmöbeln und echten Gemälden geschmackvoll gestaltet war. Neben der Tür mit dem Messing-Schild Residence-Suite stand auf einem Jugendstil-Konsolentisch ein herrliches Schreibset aus Meißner Porzellan mit einer ebensolchen Figurenschale.
    Solch museale Kostbarkeiten zur Dekoration auf einem Hotelflur zu arrangieren erschien mir doch etwas befremdlich.
    Hier gab es auch keine Türöffner mit Magnetkarten, sondern einen wuchtigen Schlüssel mit einer dicken Quaste daran, mit dem unsere Begleiterin aufschloss, um uns dann den Vortritt zu lassen.
    Tatsächlich hatte diese Suite keinerlei Ähnlichkeiten mit der Präsidentensuite im Grand Reed in Frankfurt. Hier war die ganze Möblierung antik und ungemein romantisch. Feine Gold-, Elfenbein und Grünnuancen bestimmten das prächtige Ensemble aus nostalgischen Stofftapeten, schweren bestickten Brokatvorhängen, einer zierlichen Chaiselongue und Wurzelholzmöbeln. Und von dem traumhaft schönen Himmelbett mit seinen üppigen Kissenbergen blickte man durch ein raumhohes Bogenfenster direkt auf den Hradschin.
    »Die Mini-Bar wurde nach Ihren Wünschen gefüllt, Blumen, Obst und Zeitungen entsprechend arrangiert«, erklärte die junge Frau in gebrochenem Deutsch, wobei sie den Blick scheu gesenkt hielt.
    » Dekuji vám, slecno? « Ian sah sie fragend an.
    »Vera Dvorák, Sir«, sagte sie strahlend.
    » Dekuji , Vera. Das wäre dann alles.«
    Vera nickte und ließ uns dann allein.
    »Du sprichst Tschechisch?« fragte ich erstaunt und merkte erst nachdem ich es ausgesprochen hatte, dass es eine eher überflüssige Frage war.
    »Nein, ich beherrsche diese Sprache nicht. Es sind nur Floskeln, die einfachste Ebene der Gesprächsführung, auf der ich mich in den Sprachen der Länder verständigen kann, in denen die Reed Group vertreten ist. Dieses Mindestmaß an Respekt gegenüber meinen Mitarbeitern jedoch halte ich für unerlässlich.«
    »Das ist ein hoher Anspruch, wenn man bedenkt, wie global dein Unternehmen aufgestellt ist.«
    »Nun, es sind tatsächlich mehr als dreißig Länder, aber deutlich weniger Sprachen. Wirklich fließend spreche ich nur Französisch und Spanisch.«
    »Und Englisch und Deutsch«, ergänzte ich und war insgeheim erleichtert, dass ich mit meinen Italienisch- und Französisch-Kenntnissen wenigstens in diesem Punkt mithalten konnte.
    »Seit wann stehst du eigentlich an der Spitze dieses Unternehmens?«
    »Im Grunde seit meinem 21. Geburtstag.«
    Ich musste schlucken. Wie konnte man einem halben Kind eine solche Verantwortung übertragen? Doch Ian sprach schon weiter.
    »Man hat mich nicht so ins kalte Wasser geschmissen, wie es jetzt vielleicht klingen mag. Bis zu meiner Volljährigkeit lag die Geschäftsführung bei dem damaligen CEO der Reed Group Mycroft Baine, einem Weggefährten meines Vaters und engen Vertrauten meiner Großmutter. Mit 21 stieg ich in das Unternehmen ein, lernte seine Strukturen kennen, studierte aber noch. Mit 24 machte ich meinen Abschluss in St. Gallen und arbeitete dann drei Jahre lang mit Mycroft zusammen.«
    Ian wirkte fahrig, sein Tonfall klang verächtlich.
    »Dann habt ihr euch überworfen?« riet ich ins Blaue hinein.
    »Ja, so könnte man es auch ausdrücken. Unsere Vorstellungen von der Unternehmensführung gingen von Anfang an quasi diametral auseinander. Letztlich musste ich mich von Mycroft trennen.«
    »Du wirkst, als wäre dieses Zerwürfnis für dich bis heute ein großes Ärgernis.«
    »Nein, nicht das Zerwürfnis, Ann-Sophie. Ich hätte den Feind in den eigenen Reihen nur früher erkennen, Mycroft viel eher in seine Schranken weisen müssen.«
    Ian sprach jetzt durch zusammengebissene Zähne und ich beobachtete, wie er die Fäuste ballte.
    »Weil er dem Unternehmen schadete?«
    »Er war dabei, der Unternehmensphilosophie zu schaden und dem Ansehen des Namens Reed. Langfristig hätte seine Geschäftspolitik auch dem Unternehmen an sich geschadet, aber das alles war glücklicherweise reparabel.«
    »Du klingst, als wären andere Dinge nicht
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