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In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten

In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten

Titel: In hellen Sommernächten - Burnside, J: In hellen Sommernächten
Autoren: John Burnside
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können, aber hier, direkt über der Tür zum Esszimmer, hörte ich jedes Wort. Natürlich interessierten mich ihre Gespräche eigentlich nicht, doch irgendetwas an diesem Morgen war anders; ich verharrte ein, zwei Minuten und versuchte, den Grund dafür herauszufinden. Unter mir redete Harstad, gab Antwort auf etwas, das Rott gerade gesagt hatte.
    » Daran ist nichts merkwürdig«, wies er ihn in ungewohnt scharfem Ton zurecht. Sonst klang seine Stimme eher sanft, allerdings drehten sich seine Gesprächsthemen üblicherweise auch um den Garten oder um irgendeine neue Pflanze, die er von einem an der Universität arbeitenden Freund erhalten hatte. » Selbst bei schönem Wetter sind die Strömungen da tückisch, das wissen wir doch.«
    » Nur was um alles in der Welt hatte er mitten in der Nacht dort draußen zu suchen?«, fragte Mutter leise, um den Frieden zu wahren. » In einem gestohlenen Boot? Ganz allein?« Ich sah sie vor mir, wie sie sich in der versammelten Gruppe umschaute, die perfekte Gastgeberin von elf bis zwei, und dann gingen sie alle, fast auf die Minute genau. » Das ist doch etwas merkwürdig, Amund, findest du nicht?«
    » Es heißt, er sei schon immer ein bisschen eigen gewesen«, sagte Harstad, » ein Einzelgänger …«
    Mutter lachte über dieses Klischee, hakte aber nicht weiter nach. » Nun«, beschied sie, » warten wir ab, doch würde es mich nicht wundern, wenn mehr an der Sache ist, als der erste Blick vermuten lässt.«
    Es folgte ein längeres, wenn auch nicht unangenehmes Schweigen. Manchmal senkte sich eine solche Stille über die Samstagsversammlungen, und Mutter zog sie gern ein wenig hin, genoss den Moment wie einen unerwarteten Segen. Sie liebte die Stille und misstraute allen, die sie unbehaglich fanden, was solche Gelegenheiten gefährlich machte für Leute wie Rott, der unfähig schien, auch nur kurze Zeit still zu sitzen. Nach einigen Sekunden aber wurde das Schweigen – taktvoll und entsprechend feierlich – von einem der Männer im Raum gebrochen, von jemandem, der bislang nichts gesagt hatte. » Wo hat man ihn gefunden?«, fragte er, die Stimme kaum vernehmbar. Es war Ryvold. Er redete nicht viel, wenn er jedoch den Mund aufmachte, dann schwang in seinen Worten oder in der Art, wie er sie aussprach, gewöhnlich die Andeutung mit, dass er dem Gespräch hinterherhinkte, sein eigenes Tempo einhielt, nachdachte.
    Erneutes Schweigen, dann antwortete Harstad: » Bei Straumsbukta. Nicht weit von dort, wo er wohnte. Allerdings nimmt man an, dass er von weiter oben heruntergetrieben wurde.«
    Wieder breitete sich ungewohnte Stille aus, bis jemand – ich nehme an, dass es Mutter war – sich erhob und durchs Zimmer ging. Es folgte Geschirrgeklapper sowie das Geräusch eines Kessels, der aufgesetzt wurde, und obwohl das Gespräch nur einen Moment stockte, konnte ich bei dem Lärm im Hintergrund jetzt nichts mehr verstehen. Was ich gehört hatte, war durchaus spannend – offensichtlich war jemand ertrunken, und das mit einem gestohlenen Boot, was in einem Ort wie Kvaløya ziemlich erstaunlich war –, nur wusste ich damals nicht, von wem sie redeten, und die Geschichte an sich fand ich nicht interessant genug, um ihretwegen länger zu bleiben. Außerdem wollte ich nicht noch später zu Kyrre kommen. Ich hätte in die Küche gehen und mir Kaffee und Toast machen können, um noch eine Weile zuzuhören, bevor ich aufbrach – denn ich war neugierig, und von dem Geruch nach etwas Warmem, Buttrigem, der sich auszubreiten begann, wurde ich hungrig. Doch ich wusste, Kyrre würde unten in der Hütte zumindest heißen Kaffee für mich haben, und ich konnte davon ausgehen, dass er, egal, um was für eine Geschichte es sich auch handelte, ebenso gut wie jeder andere Bescheid wusste. Also schlich ich mich leise nach unten, hoffte, dass mich niemand hörte, stahl mich zur Haustür hinaus, lief durch den Garten und schloss das Tor. Dann eilte ich durch das Birkenwäldchen, das Mutter dort, zwischen Gartentor und Straße, angelegt hatte, hinaus in die Sonne und in die kühlen, saftigen Wiesen, die hinab zum Strand führten.
    Ich besitze nur wenige Erinnerungen, die ich bereit wäre, meine eigenen zu nennen. Ich habe Schnappschüsse, Skizzen, Fragmente von Geschichten und unvollendete Anekdoten, doch passen sie nicht zusammen, und wenn ich sie zu erzählen versuche, klingen sie falsch, fast wie Erfundenes oder Geliehenes. Die ersten drei Jahre meines Lebens wohnten wir in Oslo, aber an diese Zeit
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