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In grellem Licht

In grellem Licht

Titel: In grellem Licht
Autoren: Nancy Kress
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schlimmer, und gleich darauf sehen wir die Flammen.
Der Zug brennt wie die Hölle, von der uns dieser Pfarrer in der
staatlichen Schule immerzu erzählt hat. Wiederum ein
Leuchtmarker, hüfthoch und mit hellgelb eingestelltem
Leuchtfeld, der sich in einer Entfernung von zweihundertfünfzig
Metern parallel zur Maglev-Trasse dahinschlängelt. Die
Häuser innerhalb dieser Grenze sind zwar unversehrt, aber das
kann sich schlagartig ändern, wenn einer der
Brennstoffbehälter in die Luft fliegt. Worum handelt es sich bei
dem Zeug eigentlich? Wahrscheinlich irgendeine lange unaussprechliche
Bezeichnung, die nur die Klugscheißer was angeht.
    Dreißig Meter vor dem Marker bleiben wir stehen. Achtzehn
Zivis, drei Soldaten, drei ZDs. Der Sergeant hilft den ersten sechs
Zivis von der Ladefläche und schickt sie los, jeder von ihnen
begleitet von einem Soldaten oder einem ZD. Ein paar von den Zivis
können kaum noch laufen, auch der meine gewinnt bestimmt keinen
Marathonlauf mehr, aber für so einen alten Mooszahn ist er noch
ganz flott unterwegs. Ich trabe neben ihm her, immer parallel zum
Leuchtmarker. Andere Paare verschwinden in allen Richtungen im
dichten Rauch oder in den Häusern, kleinen Reihendingern, wie
man sie in solchen Gegenden überall findet. Fast augenblicklich
sehe ich einen Soldaten plus Zivi aus einem der Häuser kommen,
gefolgt von einem großen Hund, dem es vor närrischem
Freudegebell fast den Kopf wegreißt.
    Wir traben weiter. Und weiter. Wo wohnt denn dieser Kerl endlich?
Wir sind fast am Ende der Häuserreihe! Dahinter gibt es nur noch
große, graue fensterlose Bauten – Lagerhäuser oder
Fabriken oder sonstwas in der Art. Dort wird es wohl keine Haustiere
geben. Oder?
    Ganz plötzlich gibt der Zivi heftig Gas. Verdammter Gauner!
Er ist schon weg von mir, bevor ich die Betäubungspistole in
Anschlag bringen kann; dabei hatte ich gedacht, ich würde sie
nicht brauchen. Um ein Kätzchen in Sicherheit zu bringen,
verdammt noch mal? Der Mooszahn rast von mir weg und direkt durch den
Leuchtmarker. Als ich mich an die Verfolgung mache und den Marker
passiere, spüre ich einen kurzen Schmerz in der Brust, aber
damit wird mein Anzug schon fertig. Wir sind jetzt innerhalb der
Explosionszone. Ich hole zwar auf, aber nicht genug, als er in das
erste der großen grauen Gebäude rennt.
    Und das Tor hinter sich versperrt.
    Ich verliere kostbare Sekunden, indem ich wie eine Irre
dagegenhämmere. Dann renne ich um das Gebäude herum. Hinten
befindet sich eine Laderampe, aber die Tür dort ist auch
versperrt. Ebenso wie der Notausgang. Wie kommt es, daß diese
Leute die Zeit hatten, alles so dichtzumachen wie ein
Nonnenkloster?
    Dann sehe ich meinen Freund aus einem kleinen Seitenausgang
flitzen. Er hat sichtlich nicht erwartet, mir zu begegnen, denn er
rennt fast in mich hinein. Und aus diesem Grund kann ich einen langen
Blick auf das werfen, was er in den Armen trägt.
    Und ich ziehe meine Betäubungspistole nicht einmal.
Ich bin diejenige, die wie betäubt dasteht. Mir ist, als
könnte ich mich nie mehr von der Stelle regen.
    Bis mir klar wird, was als nächstes passieren wird. Was
passieren muß. Der Kerl ist schon in den Rauchschwaden
verschwunden – er weiß, wohin er will und wieviel Zeit er
hat, um dorthin zu gelangen; ich weiß das nicht. Aber ich
renne, so schnell ich kann, weg von dem Gebäude ohne Fenster,
und jede Sekunde weiter weg ist ein Geschenk, eine kostbare Gabe, ein
verdammtes Wunder. Eine weitere Sekunde von meinem Leben!
    Das Gebäude fliegt in die Luft.
    Ich werfe mich mit einem Satz hinter einen gemauerten Gartengrill
– zu diesem Zeitpunkt bin ich wieder bei den Reihenhäusern
– und krieche hinein. Er hat eine Metallabdeckung, um den Regen
abzuhalten, denn das ganze Ding ist gerammelt voll mit
Terrakottageschirr, hölzernen Löffeln und anderem Krempel
fürs Grillen. Die Teller über mir zerbrechen und alles
regnet auf mich herab, aber sonst bin ich okay. Also vergrabe ich den
Kopf in den Armen und warte ab, und prompt jagt die Explosion des
Gebäudes auch den nächststehenden Bahnwaggon hoch.
    Gift. Toxine. Strahlung auch? Was für Zeug ist bloß in den Behältern?
    Ich weiß es nicht, und es würde mir auch nichts helfen,
wenn ich es wüßte. Ich schreie mir die Seele aus dem Leib,
bis ich es merke und abstelle. Der Höllenlärm rundum klingt
nach dem Ende der Welt, und durch den schwarzen Rauch kann ich nicht
mal meine Knie sehen, obwohl ich so zusammengekrümmt dasitze,
daß mein
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