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In glücklichen Umständen

In glücklichen Umständen

Titel: In glücklichen Umständen
Autoren: Diane Cooper
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zum Beispiel um das Gästezimmer. Ich war bereits auf der Hut.
    «Schieß los», sagte ich, den Rest meiner Geistesgegenwart sammelnd.
    «Deine Wiese.» Sie hielt inne. «Können wir sie haben?»
    «Sie haben? Wie meinst du das, sie haben?»
    «Sie benutzen, sie leihen, auf ihr sein. Wir wollen eine Aquinoktialbewußtseinsreinigung machen. Sie wäre der ideale Ort.»
    Das fehlte mir gerade noch. Marshas Kommen war immer ein perfekter Grund für unser Gehen, möglichst außer Reichweite. Wenn Pa wüßte, daß sie kommen wollte, säßen wir bereits halb im Stellwerk, in einem Gartenhäuschen oder in einem aufgelassenen Parkhaus.
    Marsha stand auf Randreligionen. Vorbei war die Zeit der Popkultur, wo alles in Gruppen und Dreiern passieren mußte. Jetzt war es Anbeten, Anbeten, Anbeten. Zuerst die Natur, so ausgesprochen, als wäre sie gerade erst entdeckt worden, und repräsentiert von der edlen Eiche oder dem Einpflanzen von Eicheln an Stellen, wo sie künftige Generationen wahrscheinlich furchtbar ärgern würden. Dann kam das, was sie die Sinnenszene nannte. «Wir tauchen in die Ideologie der außersinnlichen Deutungen ein», erklärte sie uns an einem Wochenende, an dem sie absolut high war, weil sie Pas Glenfiddich-Versteck gefunden hatte. «Es ist irre bewegend.» («Irre», hatte mein Gatte später gemurmelt, als er feststellte, daß im Badezimmer alles aufgebraucht war. «Wenn sie der Sache treu bleibt, werde ich ein Zählwerk am Klopapierhalter anbringen lassen.») Aber sie wechselte über zu anderen Glauben und Kulturen, und der liebe Gott, der sich selten damit beschäftigte, sondern wahrscheinlich alles mehr oder weniger amüsiert beobachtete und froh war, eine Weile nichts von den Kantaten und Dogmen seiner muffigen rechtmäßigen Vertreter auf Erden zu hören, wußte sicher nicht einmal besser als wir, was der nächste und neueste Kult sein würde. Ich mußte sie immer davon abhalten, uns damit zu behelligen.
    «Hier oben ist es sehr kalt», warnte ich sie schnell. «Wir liegen sehr hoch, wie du weißt. Eisige Stürme vom Kanal. Schnee. Du würdest nicht glauben, wie dick das Eis auf dem Teich ist!» Ich war nicht sicher, daß ich es glaubte.
    «K-a-l-t?» fragte Marsha, als ob ihr das Wort ganz neu wäre. «Was ist kalt?» Für jemanden, der den elektrischen Heizofen in unserem Besuchszimmer in einem milden September Tag und Nacht hatte brennen lassen, müßte sie eigentlich eine ungefähre Vorstellung haben, dachte ich. «Du mußt lernen, allen Sinnen außer dem Einen Großen Bewußtsein zu trotzen, Schatz.» Sie lachte ein wenig, was ein Tadel war, oder ich hatte nie einen gehört. Die Sinnenszene war also passé, und all das Beschnüffeln und Belecken und Berühren war vorbei, und dies war das andere Extrem. Ich dachte daran, wie sie mit genußvollen tiefen Atemzügen den Kunstdünger, den Fußboden des Hühnerstalls und sogar faulendes Grünzeug aufgenommen hatte. Aber es war nichts Ungewöhnliches, daß Marsha von einem Extrem ins andere fiel. Ich hätte für mein Leben gern gefragt, ob ihr neuer Glaube den fortwährenden Konsum von Zigaretten, Cognac und Leinsamenkuchen untersagte, den der Staat ihr wohlwollend finanzierte.
    «Und der Dung», fügte ich, getrieben von meiner Entrüstung, hinzu. «Alles voll von Schweinedung. Ihr würdet Persenninge brauchen, um darauf zu sitzen, und tonnenweise Air-Fresh oder Wäscheklammern. Es stinkt scheußlich, und jetzt ist er überall im Haus.» Ich meinte den Gestank, aber ich glaube, sie dachte, ich meinte den Dung; wahrscheinlich vermutete sie, ich hätte meiner Tierpension einen Schweineflügel hinzugefügt. Wir schafften es nie, einander zu überraschen, und waren beide insgeheim überzeugt, die andere sei ein bißchen plemplem.
    Offensichtlich wankend geworden, sagte Marsha: «Dann vielleicht im Frühling?» Und ich, wohl wissend, daß sie bis dahin auf dem Wassertrip oder dem Unterleibstrip sein würde, die sich woanders besser ausführen ließen, stimmte freudig zu. Marsha und ich hatten eine sehr fruchtbare Beziehung, denn wir wetzten unseren Geist aneinander, und sie brachte es zumindest fertig, meinen zu schärfen, wenn er ein bißchen stumpf geworden war. Das ist ein Nebenprodukt der weniger attraktiven Religionen. Man kann sich freuen, wenn sie einen wenigstens nicht auffordern, sich den Kopf kahl zu scheren, seine lebenslangen Ersparnisse zu opfern oder um drei Uhr morgens aufzustehen, weil jemand, der leichter zu verführen ist als man selbst,
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