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In einem leuchtend schoenen Land

Titel: In einem leuchtend schoenen Land
Autoren: Minouche Moser
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wie ich mich fast täglich gegen die unterdrückte Frau auflehnte. Mit der Zeit hatte ich sogar in Zahlen erfahren, wie viel weniger Wert meine Weiblichkeit war: mehr als zwanzig Prozent! Diesen Wert errechnete ich aus der Preisdifferenz, die Andreas und ich in Verhandlungen mit den jeweiligen Verkäufern erzielten, denn diesen Prozentsatz musste ich in der Regel mehr bezahlen als mein Mann.
    Und das, obwohl mein Mann im Verhandeln mehr als unbegabt war.
    Er profitierte alleine vom Männerbonus.
    Unerhört!
    Aber nicht nur in Preisverhandlungen brillierte er, sondern ebenso in der Abwehr aufdringlicher Straßenverkäufer. Jene wichen mir, der Frau, nur widerwillig von der Seite, egal welche Verabschiedung ich wählte. Weder half das freundliche, aber bestimmte „Nein danke!“ noch die Steigerung dazu: „Bitte! Ich möchte gerne meine Ruhe haben!“
    Nach „Ruhe“ legte ich eine bedeutungsschwere Pausen ein.
    Ebenso bedeutungsvoll lächelte mich mein selbst ernannter Begleiter daraufhin an – und rückte mir noch ein wenig näher!
    Da beneidete ich Andreas, der in ähnlichen Situationen mit einem einzigen, entschiedenen „Nein danke!“ den Anhang abschüttelte. In Momenten wie diesen wünschte ich mir ein paar der Vorschusslorbeeren, mit denen die Männlichkeit behängt wurde.
    Immer wieder wunderte ich mich darüber, dass zwar im Parlament keine Frau saß und trotzdem einmal eine Frau als Präsidentin das Land geführt hatte. Lange vor Frau Merkel hatte Sri Lanka Emanzipation praktiziert und demonstriert; Emanzipation, die von der Spitze augenscheinlich noch nicht bei der Bevölkerung angekommen war und noch heute in der armen Bevölkerungsschicht kaum spürbar war.
    „Dabei“, so regte ich mich wiederholt auf, „übersteigt die Frau den Wert ihrer Mitgift um ein Vielfaches!“
    „Ohne die Frauen“, hatte meine Sri Lanka-erfahrene Heike bestätigt, „wäre das Land längst am Boden. Sie sind es, die mit Fleiß die Wirtschaft am Laufen halten!“
    Frauen und Töchter nähten in Fabriken und führten in reichen Häusern den Haushalt, während Söhne und Männer nicht selten am Straßenrand Kricket spielten und ab und an den Durst mit Selbstgebranntem löschten.
    Und trotzdem mangelte es den Frauen an Freiraum, empörte ich mich einmal an einem singhalesischem Ohr und wurde prompt angepfiffen, ich solle doch mal in die arabischen Länder, dann würde ich mich nicht mehr über mangelnde Emanzipation in Sri Lanka beschweren.
    Daraufhin war ich kurzfristig klein mit Hut.
    Kurz darauf wurde die Frau in mir zu einer Alice Schwarzer, die sich für die Frauenrechte einsetzte. Gerne hätte ich eine Revolution der Frauen eingeleitet.
    In diesen Momenten vergaß ich, dass es uns im Westen viele Jahre gekostet hatte, bis die Frau die Emanzipation erreicht hatte. Ein Aufbäumen der Frau unter meinem Einfluss hätte sicherlich mehr zerstört als positiv beeinflusst und wäre so etwas wie eine andere Form des Kolonialisierens geworden. Wenn, dann musste die Emanzipation der sri-lankischen Frauen initiiert werden, die nicht mehr bis zum heiligen Berg pilgern wollten, um wenigstens im nächsten Leben die Vorzüge des männlichen Daseins genießen zu können.
    Mein Einmischen hätte ihnen höchstens die verlässliche Familienstruktur genommen, in der sie das fanden, was wir längst verloren hatten: einen Zusammenhalt in der Familie! Auch wenn die Frauen kaum eine Stimme in dieser Struktur hatten, so waren sie darin behütet und geborgen.
    Sie hatten ihre Traditionen und ihre Aberglauben.
    Wir hatten unsere Traditionen und unseren Glauben.
    Wir waren zwei Kulturen, die sich einander annäherten und uns doch sehr fremd waren.
    Als der Wind am 1. Januar eine Vase von meinem Tisch herunter geweht hatte und nur ein trauriger Scherbenhaufen davon zurückgeblieben war, tröstete mich Jasinta und meinte, ich habe nun ein glückliches Jahr vor mir. Ich hatte damals beschlossen, dieses freundliche Omen anzunehmen, auch wenn die vielen Rituale und Konventionen meinem Wesen nicht entsprachen. Als ich aus Sri Lanka aus – und in Deutschland wieder einzog, schlug ich wieder Scherben und dachte beim Aufkehren an Sri Lanka und hoffte, dass mir mein Leben in Deutschland gelingen möge, nachdem ich die Jahre in einem fernen Land mit meiner Familie ein so behagliches und gleichzeitig aufregendes Nest gebaut hatte.
    Und bald würde es soweit sein: Wir sollten dorthin zurückkehren, wo wir Gewohntes und seit Sri Lanka auch eine ordentliche
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