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In einem leuchtend schoenen Land

Titel: In einem leuchtend schoenen Land
Autoren: Minouche Moser
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wäre, selbst einmal an einen Cousin vermittelt zu werden. Die Vorstellung, dass mir mein Cousin Albert ins Ehebett gelegt worden wäre, war abschreckend. Vornehmlich wegen des Bildes, das ich von ihm noch vor Augen hatte und zugegebenermaßen schon ein paar Jahre alt war: Ich sah ein pickliges Bürschchen, das bei der Begrüßung rot anlief und von meinem Anblick gehemmt ins Stottern verfiel.
    Die Heimfahrt verbrachte ich – neben mittlerweile routinierten Ausweichmanövern – damit, mich zu freuen, dass meine Verwandtschaft keinen noch engeren Bund mit mir vorgehabt hatte. Ich war mit mir einig, dass ich kein Himmelhochjauchzen und Zu-Tode-betrübt meiner persönlichen Achterbahn bis zur Ehe auslassen hätte wollen.
    Meine Abwehrhaltung gegen diese traditionelle Art der Heirat lag nicht zuletzt daran, dass mein Gehirn von Zeitungsartikeln unobjektiv gewaschen worden war, wo ich Reißerisches über Ehevermittlungen und Vermittelte gelesen hatte. Abgesehen davon war ich nicht minder von der Filmindustrie beeinflusst, deren Produktionen mit Vorliebe Männer und Frauen in Ehen nötigten, deren Herzen längst woanders und außerhalb ihres Standes die wahre Liebe gefunden hatten.
    „Viele Ehen“, erklärte mir meine Freundin Heike, die bereits zwanzig Jahre Erfahrung mit Sri Lanka ins Gespräch einbrachte, „welche ich im Laufe der Zeit mitgekriegt habe und außerhalb ihres Standes auf der Basis von „reiner“ Liebe geschlossen worden sind, haben nicht lange gehalten.“
    Nachdenklich dachte ich an die Paarungsgewohnheiten meiner Kultur. Wir strebten primär nach der ganz großen, prickelnden Liebe und belächelten nüchtern Vereintes. Dabei war es ja nun keine neue Erkenntnis, dass unser westliches Verlangen nach der „Hollywood-Liebe“ ohne Frage sehr prickelnd war, dafür aber nicht selten in der Scheidung endete. Wenn das Prickeln einmal abgezogen war, überlegte ich, blieb noch die Gemeinsamkeit – und gemeinsam hatten gewissenhaft aneinander Vermittelte das soziale Umfeld und die Erziehung, was wiederum der Nährboden für ein gegenseitiges Verstehen war. Jenen Sri-Lankern, die rebellisch den sozialen Gegensatz geheiratet und sich selbst aus dem Familienverbund gedrängt hatten, blieb wenig Gemeinsames, nachdem die Schmetterlinge einmal nicht mehr flatterten.
    Dann konnte die Liebes-Ehe wie ein unbequem gewordener Schuh drücken.
    Plötzlich kamen all die menschlichen Makel im Partner zum Vorschein, die man in der Verliebtheit so gekonnt übersehen. Ein gut vermittelter Partner jedoch war nach ähnlichen Grundsätzen erzogen worden und es gab kaum Überraschungen. Nicht selten verwandt und somit vertraut oder, wenn nicht verwandt, dann gründlich auf Vorzüge und Makel abgeklopft, ging man diese Ehe nicht mit dem Umweg über Wolke Sieben ein.
    Und wer nicht zum Höhenflug abhob, stürzte auch nicht ganz so tief!
    Auf der Suche nach dem familienkonformen Ehepartner für die Kinder schalteten die Eltern meistens einen Ehevermittler ein, der sich in den jeweilig finanziellen
    Verhältnissen und Kasten auskannte. Gute Eltern, so lernte ich, sortierten die potentiellen Kandidaten lediglich vor und aus, bezogen den ehereifen Nachwuchs in den Entscheidungsprozess mit ein. Manchmal, nur um sicher zu gehen, wurde von einem klagenden, zitternden, mit Ringen behängten und klappernden Orakel noch der letzte Segen geholt.
    Der Aberglauben hatte Sri Lanka fest im Griff.
    Das Erstellen von persönlichen Horoskopen, auf das in Sri Lanka mehr Gewicht gelegt wurde als auf einen Lebenslauf, sicherte manchem Astrologen eine Vollbeschäftigung. Selbst der Präsident zog den Sterndeuter zu Rate, ließ sich von ihm den optimalen Zeitpunkt für Regierungsreisen mit seinen hundert Begleitern oder für ein geplantes politisches Manöver errechnen.
    Somit wurde auch der Heiratsanwärter vor der Sichtung um persönliche Daten gebeten, welchem das Horoskop unbedingt beizulegen war!
    Jene für mich ungewöhnliche Tradition hatte meine Fantasie beflügelt und ich fand mich im Geiste in der verrauchten Atmosphäre einer Bar wieder. Meine Hand umklammerte die zerknitterte Checkliste, die der künftige Lebenspartner bestehen musste und mit welcher ich in unserer Welt der freien Liebe auf Gattenschau unterwegs war. Lässig lehnte ein Objekt des Möglichen über einem Krug Bier an einer Bar und ich hakte die ersten Punkte meiner Soll-Liste ab: Größe und Äußeres waren ganz in meinem Sinne. Der nächste Punkt war leicht zu klären. Ein
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