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In einem leuchtend schoenen Land

Titel: In einem leuchtend schoenen Land
Autoren: Minouche Moser
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Portion Ungewohntes vorfinden würden.

17. Abschied von einem leuchtend schönen Land
    Andreas und ich hatten am Strand ein kariertes Picknicktuch ausgelegt, streckten unsere Glieder genüsslich darauf aus, kauten versandete Käsekräcker und spülten Ungenießbares mit Rotwein herunter. Ab und zu stoben die Kinder und unsere Schäferhündin vorbei und hüllten uns in eine Wolke aus Sand. Vereinzelt zog Plastik durch die Abendbrise, die einkrachenden Wellenberge trieben winzige Krabben, Muscheln und Styropor vor sich her. Nachdenklich sah ich den Kindern zu, wie sie sich gegenseitig bis zur Nasenspitze im Sand ein- und wieder ausgruben, wie der Monsunwind an ihrem Haar zerrte und die Gesichter ein verschmitztes Grinsen überzog.
    „Was würdet ihr davon halten, wenn wir in einem halben Jahr wieder nach Deutschland zögen“, hob ich vorsichtig an und wie auf Kommando hörte das Graben auf.
    „Ich mag hier nicht weg!“, schimpfte Caro und hatte die Brüder einstimmig hinter sich, die noch glaubten „Deutschland ist doof!“ hinzufügen zu müssen.
    Dann gruben sie weiter.
    Für sie war der Fall hiermit erledigt.
    Für Andreas und mich noch nicht. Wir bildeten uns ein, dass wir die Kinder nun wieder aus dem englischen Schulsystem herausnehmen und ins deutsche integrieren sollten. Ansonsten, glaubten wir, bliebe uns demnächst eine Rückkehr nach Hause bis zum Schulabschluss der drei verschlossen.
    „In Deutschland gibt es Supermärkte mit einer riesigen Lebensmittelauswahl“, warb ich luxuriös für unser aller Heimat.
    Lebensmittel interessierten sie nicht. Sie waren mit hier Aufgetischtem vollends zufrieden.
    „Mit dem Leitungswasser kann man Zähne putzen, kann es sogar trinken!“
    Widerspenstig runzelten sie dreifach die Stirn.
    „Na und?“
    „Kein Bürgerkrieg!?!“ Ein Argument, das 2008 noch zog.
    Langanhaltendes Schweigen, bis sich Fabian erhob, die Hände an der Hose abklopfte und mich streng ansah: „Dafür gibt es S-Bahn-Schläger!“ Er begann erneut zu graben, zögerte einen Augenblick und fügte hinzu: „Selbstmordattentäter gibt es in Europa genau wie hier.“
    Er hatte zuviel Zeitung gelesen. Gegen seine Argumentation kam ich nicht an.
    „Ihr könntet mit dem Fahrrad weite Kreise ziehen, seid nicht auf das Innere des Compounds reduziert.“
    Aber die Kinder wollten nichts mehr vom Weggehen hören. Willi nahm eine Ladung Sand und stäubte Fabian damit ein. Unsere Hündin wusste gar nicht mehr wohin mit ihrem Glück, mischte sich mit kuriosen Sprüngen in die Sandschlacht ein und bellte übermütig.
    Aus der Ferne betrachteten ein paar sri-lankische Kinder schüchtern das Schauspiel, ein Fischer zog jubelnd einen Kleinhai aus dem Indischen Ozean und eine Frau trug einen Korb Sand auf dem Kopf nach Hause.
    „Das alles macht Sri Lanka aus! Es ist anders, schön, berauschend und manchmal bedrückend“, dachte ich und erhob mich. Andreas pfiff Flora bei Fuß, Willi versuchte es auf seinen Fingern nachzupfeifen und spuckte dabei aus Versehen Caro an, die angewidert zurückwich und ihren Bruder weit weg wünschte.
    Nach Deutschland oder so.
    Unser kleiner Menschenzug setzte sich in Bewegung. Hinter uns tauchte die Sonne ins Meer, Wolkenfetzen verfärbten sich in ihrem Untergang und fast übergangslos übernahm der Vollmond die Beleuchtung unseres Heimwegs in den Compound. Wir schlugen uns durch Schwärme von Mücken, die wie wir die Abendstimmung genossen. Zu Hause leerte ich die letzten Käsekräcker auf einen Teller und trug ihn zum Esstisch. Versonnen blickten fünf Lagunenbewohner über die im Mond glitzernde Lagune hinweg und in die tanzenden Lichter des Flughafens hinein.
    „Du“, sagte ich nach einer Weile zum Andreas, der gerade den Tod eines blutgesättigten Moskitos zu verantworten hatte, „wir wohnen im Semi-Paradies hier!“
    Caro kroch in Andreas Arme.
    „Was ist denn ein Semi-Paradies?“, fragte sie.
    „Das Semi-Paradies“, sprach ich beseelt, „ist das halbe Paradies.“ Den philosophischen Exkurs über Yin und Yang, über das halb volle oder das halb leere Glas, über die Kunst, das Schöne zu sehen und nicht das Hässliche; diesen philosophischen Exkurs konnte ich gerade noch unterdrücken und sagte stattdessen: „Es gibt nur ein halbes Paradies, weil in jedem Paradies Schlangen über einem verbotenen Apfel lauern, von welchem wir irgendwann kosten und aus dem Paradies vertrieben werden. Somit“, schloss ich, „gehört das Paradies dem Menschen immer nur zur
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