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In einem leuchtend schoenen Land

Titel: In einem leuchtend schoenen Land
Autoren: Minouche Moser
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Hälfte.“
    Caro überlegte und verkündete kurz darauf das Ergebnis ihrer Überlegungen: „Auf Sri Lanka wachsen gar keine Äpfel!“
    Dafür gab es Schlangen.
    „Weißt du“, sagte ich selig, „irgendwann werden diese Insel und seine Bewohner mein ganz persönliches Heimweh werden.“
    Muffig wandte sie sich ab und wiederholte nachdrücklich: „Ich mag hier nicht weg!“
    Mit dem Gedanken an Heimweh und unsere baldige Rückkehr gingen wir schlafen und wurden in dieser Nacht von Willi aus unseren verschwitzten Träumen gerissen. Sein heißer Körper kroch unter unser Laken und kuschelte sich ganz eng an uns.
    „Da war ein Tamile an meinem Bett und hat mit seinem Gewehr auf mich gezielt“, behauptete er und schlief gleich wieder ein.
    Noch lange lag ich wach und grübelte über das halbe Paradies nach. Der Bürgerkrieg besorgte mich damals nach wie vor, auch wenn wir augenscheinlich nicht davon betroffen waren, so hatten wir ihn einmal zu oft hautnah miterleben müssen. Dann wiederum dachte ich an die Schule, die eine sozial glückliche Atmosphäre für unsere Kinder geschaffen hatte, die ihnen freundlich Theorie vermittelte und sie nicht mit Wissen stopfte wie eine Mastgans mit Futter; ich dachte an die Singhalesen, die uns mit ihrer Neugier immer wieder zu nahe kamen, niemals verletzend und besserwisserisch in unser Leben eindrangen; Ich dachte an die Palmen, das Meer, den Wind, das Badehosenwetter, die Vegetation und seufzte schwer.
    Ich würde mich aus diesem halben Paradies bald für immer verabschieden und diesmal wog der Abschied schwerer als damals, als wir Deutschland auf Zeit verlassen hatten und wir uns immer ganz sicher gewesen waren, dass wir eines Tages dorthin zurückkehren würden.
    Dieser Abschied war mit ziemlicher Sicherheit ein Abschied für immer.
    Wie ein Sommergewitter zogen urplötzlich Zweifel in mir auf, ob einst Vertrautes mir noch immer vertraut sein würde, ob mich die neue Perspektive nicht für ein Heimatgefühl in Deutschland untauglich gemacht hatte.
    „Ich weiß nicht, ob ich mit der direkten Art des Deutschen noch umgehen kann“, eröffnete ich morgens Andreas, der sich darüber wunderte, wo ich so früh schon so tiefe Gedanken herhaben könnte.
    „Wie meinst du das?“, gähnte er.
    Und wieder tauchte in Erinnerungen ab, war diesmal in Deutschland, saß im ICE Frankfurt Richtung Norden. Ausgelassen telefonierte ich mit meiner Freundin und kündigte meine Ankunft an – trompetete dabei voluminös meine Vorfreude über das baldige Wiedersehen durch das Abteil. Mir gegenüber saß ein ungefähr dreißigjähriger Anzugträger, der sehr ernst in seinen iPod hineinhorchte und dabei vor sich her starrte. Genervt nahm er die Hörer aus seinen Ohren und sah mich eisig an. Zu spät hatten meine Sensoren ertastet, dass ich hier ernstzunehmend die Ruhe der Mitreisenden störte und konnte nicht mehr verhindern, dass ich darauf aufmerksam gemacht wurde.
    Bissig darauf aufmerksam gemacht wurde.
    „Geht es auch ein wenig leiser?“, pfiff er mich schmallippig an. Keine scharfe Kritik mehr gewöhnt beendete ich das Gespräch verstört und wurde bis über beide Ohren rot. Verlegen kramte ich ein Buch aus meinem Koffer und las genau zwei Zeilen, bis der Mann, den ich so sehr gestört hatte, aufstand und ausstieg.
    Wahrscheinlich hatte er aus einem sozialen Trieb heraus gehandelte und seine Mitreisenden von meiner Störung befreit, denn für die paar Minuten, befand ich bitter, hätte er meine Freude vermutlich schadlos überstanden!
    Am Bahnsteig bekam ich gleich noch mehr davon ab, als mich eine umfangreiche Dame anrempelte und mich anpfiff, ich solle doch bitte woanders herum stehn.
    Ein Sri-Lanker hätte spätestens auf mein entschuldigendes Lächeln hin wohltuend zurückgelächelt.
    Mein erschöpftes Lächeln bewirkte bei der erzürnten Dame gar nichts.
    „Ich werde das Lächeln vermissen“, verdichtete ich meine langen Gedankengänge auf einen Satz, „auch wenn hinter dem Lächeln nicht immer nur die reine Freundlichkeit steckt, so ist es allemal schöner angelächelt, als mit der kalten Schulter bedacht zu werden.“
    An einem schwülen Julitag belegte unsere fünfköpfige Familie einige Fensterplätze im Flug Colombo-Frankfurt. Fünf Nasen drückten sich an der Fensterscheibe platt, fünf Ärmel wischten den auf den Ausblick geatmeten Nebel wieder weg und fünf Herzen sanken sehr, sehr tief, als der Dschungel immer weniger wurde, bis er schließlich ganz verschwand.
    Fünf
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