Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In einem anderen Land

In einem anderen Land

Titel: In einem anderen Land
Autoren: Ernest Hemingway
Vom Netzwerk:
Hintereingang der Villa, wo die Sanitätswagen vorfuhren. Drinnen sprach ich mit der Oberin, die mir sagte, daß Miss Barkley Dienst habe. - «Wir haben Krieg, wissen Sie.»
    Ich sagte, ich wüßte es.
    «Sind Sie der Amerikaner, der in der italienischen Armee ist?» fragte sie.
    «Ja, Frau Oberin.»
    «Wann ist Ihnen denn das passiert? Wieso sind Sie nicht zu uns gekommen?»
    «Ich weiß nicht», sagte ich. «Kann ich das jetzt noch?»
    «Leider geht das jetzt nicht mehr. Sagen Sie mir, warum sind Sie bei den Italienern?»
    «Ich war in Italien», sagte ich, «und ich sprach Italienisch.»
    «Oh», sagte sie, «ich lerne es gerade. Es ist eine herrliche Sprache.»
    «Jemand hat mal gesagt, daß man es eigentlich in zwei Wochen lernen könnte.»
    «Ich werd's nicht in zwei Wochen lernen. Ich studiere es schon seit Monaten. Wenn Sie wollen, können Sie nach sieben wiederkommen und sie sprechen. Dann ist sie frei. Aber bringen Sie nicht einen Haufen Italiener mit.»
    «Nicht einmal der herrlichen Sprache wegen?»
    «Nein, auch nicht wegen der herrlichen Uniformen.»
    «Guten Abend», sagte ich.
    «A rivederci, tenente.»
    «A rivederla.» Ich salutierte und ging hinaus. Ich konnte keinen Ausländer auf italienische Manier grüßen, ohne verlegen zu werden. Der italienische Gruß schien nicht für den Export geeignet. Der Tag war heiß gewesen. Ich war bis zum Brückenkopf in Plava den Fluß hinaufgefahren. Dort sollte die Offensive einsetzen. Im vorigen Jahr war es unmöglich gewesen, auf der anderen Seite vorzustoßen, weil nur eine Straße vom Paß hinunter auf die Pontonbrücke fü hrte und sie ungefähr eine Meile lang unter Maschinengewehr- und Granatfeuer lag. Sie war auch nicht breit genug, um den ganzen für eine Offensive notwendigen Transport zu bewältigen, und die Österreicher konnten eine Schlachtbank daraus machen. Aber die Italiener hatten den Fluß überschritten und sich jenseits über eine kleine Strecke ausgedehnt, um ungefähr anderthalb Meilen auf der österreichischen Seite zu halten. Es war eine unangenehme Stelle, und die Österreicher hätten sie dort nicht Fuß fassen lassen sollen. Ich nehme an, daß es aus gegenseitiger Duldsamkeit geschah, denn die Österreicher hielten ein Stück flußaufwärts noch einen Brückenkopf. Die österreichischen Schützengräben lagen oberhalb auf dem Hügelhang nur ein paar Meter von den italienische n Linien entfernt. Dort war einmal eine kleine Stadt gewesen, aber jetzt war alles Schutt. Hier waren die Überbleibsel von einem Bahnhof und eine zerstörte feste Brücke, die nicht repariert und benutzt werden konnte, weil sie ohne Deckung lag.
    Ich fuhr die schmale Straße entlang, hinunter dem Fluß zu, ließ den Wagen beim Verbandsplatz im Schutz des Hügels, überquerte die Pontonbrücke, die durch einen Bergvorsprung gedeckt war, und ging durch die Schützengräben in der zertrümmerten Stadt und dann die Böschung entlang. Alles war in den Unterständen. Man hatte Ständer mit Raketen bereitgestellt, fertig zum Abfeuern, um Hilfe von der Artillerie herbeizurufen oder zum Signalisieren, falls die Telefonleitungen durchschnitten würden. Es war ruhig, heiß und schmutzig. Ich sah über den Stacheldraht nach den österreichischen Linien. Niemand war sichtbar. In einem der Unterstände trank ich was mit einem Hauptmann, den ich kannte, und ging dann über die Brücke zurück.
    Eine neue, breite Straße wurde fertiggestellt, die über die Berge und im Zickzack hinunter auf die Brücke führen sollte. Sobald die Straße fertig war, würde die Offensive beginnen. Sie lief in scharfen Kurven durch den Wald hinunter. Der Plan war, alles auf der neuen Straße hinunterzuschaffen und die leeren Traktoren, Lastautos und Sanitätswagen, überhaupt allen zurückkommenden Verkehr, über die alte, enge Straße hinaufzuleiten. Der Verbandsplatz war auf der Flußseite, die die Österreicher besetzt hielten, unter dem Hügelvorsprung, und die Krankenträger sollten die Verwundeten über die Pontonbrücke zurücktragen. Genauso sollte es sein, wenn die Offensive begann. So wie ich es beurteilte, konnte die letzte Meile ungefähr von da an, wie die neue Straße eben lief, von den Österreichern unter Feuer gehalten werden. Es sah aus, als ob es ein Schlamassel geben könnte. Aber ich fand eine Stelle, auf der die Wagen, nachdem sie das letzte, schlecht aussehende Stück überquert hatten, in Deckung waren und dort auf die Verwundeten warten konnten, die man über die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher