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In einem anderen Land

In einem anderen Land

Titel: In einem anderen Land
Autoren: Ernest Hemingway
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daß sie nicht sterben würde. Laß sie nicht sterben. O Gott, bitte, laß sie nicht sterben. Ich werde alles für dich tun, aber laß sie nicht sterben. Bitte, bitte, bitte, lieber Gott, laß sie nicht sterben. Lieber Gott, laß sie nicht sterben. Lieber Gott, laß sie nicht sterben. Bitte, bitte, bitte, lieber Gott, laß sie nicht sterben. Gott, bitte, mach daß sie nicht stirbt. Ich werd alles tun, was du willst, aber laß sie nicht sterben. Du hast das Baby genommen, aber laß sie nicht sterben. Das war gut, aber laß sie nicht sterben. Bitte, bitte, lieber Gott, laß sie nicht sterben.
    Die Schwester öffnete die Tür und winkte mir hereinzukommen. Ich folgte ihr in das Zimmer. Catherine sah nicht auf, als ich hereinkam. Ich ging hinüber an ihr Bett. Der Doktor stand an der anderen Seite des Bettes. Catherine sah mich an und lächelte. Ich beugte mich über das Bett und begann zu weinen.
    «Mein armer Liebling», sagte Catherine sehr leise. Sie sah grau aus.
    «Du bist ganz in Ordnung, Cat», sagte ich. «Du kommst schon wieder in Ordnung.»
    «Ich sterbe», sagte sie; dann nach einer Pause sagte sie: «Ich will nicht.»
    Ich nahm ihre Hand.
    «Faß mich nicht an», sagte sie. Ich ließ ihre Hand los. Sie lächelte. «Mein armer Liebling. Faß mich nur an, so viel du willst.»
    «Du wirst schon wieder gesund, Cat. Ich weiß, daß du wieder gesund wirst.»
    «Ich wollte dir einen Brief schreiben, für dich, falls irgend etwas geschehen würde, aber ich hab's nicht getan.»
    «Willst du, daß ich dir einen Pfarrer oder sonst jemand hole?»
    «Nein, nur dich», sagte sie. Dann etwas später: «Ich hab keine Angst. Aber ich hasse es.»
    «Sie dürfen nicht soviel sprechen», sagte der Doktor.
    «Schön», sagte Catherine.
    «Kann ich irgend etwas für dich tun, Cat? Kann ich dir was besorgen?»
    Catherine lächelte. «Nein.» Dann ein bißchen später: «Du wirst unsere Sachen nicht mit einem anderen Mädchen machen und auch nicht dieselben Sachen sagen, nicht wahr?»
    «Niemals.»
    «Aber ich will, daß du Mädchen hast.»
    «Ich will keine.»
    «Sie sprechen zuviel», sagte der Doktor. «Mr. Henry muß hinausgehen. Er kann später wieder hereinkommen. Sie werden nicht sterben. Sie müssen nicht so dumm sein.»
    «Schön», sagte Catherine. «Ich werde zu dir kommen und nachts bei dir sein», sagte sie. Sprechen strengte sie sehr an.
    «Bitte, gehen Sie aus dem Zimmer», sagte der Doktor. «Sie dürfen nicht sprechen.» Catherine zwinkerte mir zu, mit grauem Gesicht. «Ich bin direkt vor der Tür», sagte ich.
    «Mach dir keine Sorgen, Liebling», sagte Catherine. «Ich hab auch nicht die geringste Angst. Es ist nur einfach eine Niedertracht.»
    «Du Liebe, Tapfere, Süße.»
    Ich wartete draußen auf dem Korridor. Ich wartete eine lange Zeit. Die Schwester kam an die Tür und auf mich zu. «Ich fürchte, Mrs. Henry ist sehr krank», sagte sie. «Ich fürchte für sie.»
    «Ist sie tot?»
    «Nein, aber sie ist bewußtlos.»
    Scheinbar hat sie eine Blutung nach der andern gehabt. Man konnte nichts dagegen machen. Ich ging ins Zimmer und blieb bei Catherine, bis sie starb. Sie war die ganze Zeit über bewußtlos, und sie brauchte nicht sehr lange zum Sterben.
    Draußen vor dem Zimmer im Gang sprach ich mit dem Doktor. «Kann ich heute abend noch irgend etwas erledigen?»
    «Nein. Nichts. Kann ich Sie in Ihr Hotel bringen?»
    «Nein, danke. Ich bleibe noch eine Weile hier.»
    «Ich weiß, man kann nichts sagen. Ich kann Ihnen nichts sagen...»
    «Nein», sagte ich. «Man kann nichts sagen.»
    «Gute Nacht», sagte er. «Ich kann Sie nicht in Ihr Hotel bringen?»
    «Nein, danke.»
    «Es war das einzige, was man machen konnte», sagte er. «Die Operation bewies...»
    «Ich möcht e nicht darüber sprechen», sagte ich.
    «Ich möchte Sie gern in Ihr Hotel bringen.»
    «Nein, danke.»
    Er ging den Gang hinunter. Ich ging an die Tür des Zimmers.
    «Sie können jetzt nicht hereinkommen», sagte eine der Schwestern.
    «Doch, ich kann.»
    «Sie können noch nicht herein.»
    «Gehen Sie heraus», sagte ich, «die andere auch.»
    Aber nachdem ich sie draußen hatte und die Tür geschlossen und das Licht ausgedreht war, schien es sinnlos. Es war, als ob man einer Statue Lebewohl sagt. Nach einer Weile ging ich hinaus und verließ das Krankenhaus und ging im Regen ins Hotel zurück.
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