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In einem anderen Land

In einem anderen Land

Titel: In einem anderen Land
Autoren: Ernest Hemingway
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ziemlich sauber, ein paar gerade gewaschen, die übrigen staubig. Ich besah mir die Reifen sorgfältig auf Schnitte und Steinbeulen. Alles schien in gutem Zustand zu sein. Es machte offensichtlich keinerlei Unterschied, ob ich da war, um mich um die Dinge zu kümmern, oder nicht. Ich hatte mir eingebildet, daß der Zustand der Wagen, ob Material beschafft werden konnte oder nicht, das glatte Funktionieren unseres Geschäfts, Verwundete und Kranke aus den Verbandsplätzen weiterzubefördern, sie von den Bergen in die Sammelplätze zu bringen und von da auf die Feldlazarette zu verteilen, die auf ihren Papieren angegeben waren, zu einem beträchtlichen Maß von mir abhing. Offensichtlich aber war es ganz gleichgültig, ob ich da war oder nicht.
    «Hatten Sie Schwierigkeiten, Ersatzteile zu bekommen?» fragte ich den Obermechaniker.
    «Nein, Signor Tenente.»
    «Wo ist jetzt der Tankplatz?»
    «Noch auf derselben Stelle.»
    «Gut», sagte ich und ging ins Haus zurück und trank einen zweiten Topf Kaffee am Kasinotisch. Der Kaffee war hellgrau und mit kondensierter Milch gesüßt. Vor dem Fenster war ein herrlicher Frühlingsmorgen. Man fühlte schon ein bißchen Trockenheit in der Nase, ein sicheres Zeichen, daß es später heiß werden würde. An dem Tag besuchte ich die Stellungen in den Bergen und kam spätnachmittags in die Stadt zurück.
    Alles hatte sich anscheinend während meiner Abwesenheit gebessert. Ich hörte, daß die Offensive wieder beginnen würde. Die Division, für die wir sorgten, sollte an einer Stelle flußaufwärts angreifen, und der Major sagte mir, daß ich mich während des Angriffs um unsere Sanitätsposten zu kümmern hätte. Der Angriff sollte den Fluß oberhalb der schmalen Schlucht überqueren und sich den Berghang hinauf ausbreiten. Die Sammelplätze für die Sanitätswagen mußten so dicht wie möglich am Fluß sein und dabei in Deckung liegen. Die Infanterie würde sie natürlich bestimmen, aber von uns erwartete man die Ausführung. Es war eine von den Situationen, die einem das täuschende Gefühl von Soldatsein gaben.
    Ich war sehr staubig und schmutzig und ging hinauf in mein Zimmer, um mich zu waschen. Rinaldi saß auf seinem Bett mit einem Exemplar von Hugos englischer Grammatik. Er war angezogen, trug seine schwarzen Stiefel und sein Haar glänzte.
    «Großartig», sagte er, als er mich sah, «du kommst mit, Miss Barkley besuchen.»
    «Nein.»
    «Doch, bitte komm mit, für mich einen guten Eind ruck machen. »
    «Schön. Warte, bis ich mich gesäubert habe.»
    «Wasch dich und komm, wie du bist.»
    Ich wusch mich, bürstete mir die Haare, und wir brachen auf.
    «Warte einen Augenblick», sagte Rinaldi. «Vielleicht sollte man vorher einen Schluck trinken.» Er öffnete seinen Koffer und nahm eine Flasche heraus.
    «Nur keinen Strega», sagte ich.
    «Nein, Grappa.»
    «Gut.»
    Er schenkte zwei Gläser voll, und wir stießen mit ausgestreckten Zeigefingern an. Der Grappa war sehr stark.
    «Noch einen?»
    «Schön», sagte ich. Wir tranken einen zweiten Grappa. Rinaldi stellte die Flasche weg, und wir gingen die Treppe hinunter. Es war heiß, als wir durch die Stadt gingen, aber die Sonne war im Untergehen, und es war sehr angenehm. Das englische Lazarett lag in einer großen Villa, die von Deutschen vor dem Krieg erbaut worden war. Miss Barkley war im Garten. Eine zweite Krankenpflegerin war mit ihr. Wir sahen ihre weiße Tracht durch die Bäume hindurch und gingen auf sie zu. Rinaldi salutierte. Ich salutierte auch, aber gemäßigter.
    «Guten Abend», sagte Miss Barkley. «Sie sind doch kein Italiener, nicht wahr?»
    «O nein.»
    Rinaldi sprach mit der anderen Schwester. Sie lachten.
    «Was für eine ausgefallene Sache, im italienischen Heer zu sein.»
    «Tatsächlich nicht im Heer. Nur bei der Ambulanz.»
    «Trotzdem ist es sehr ausgefallen. Wie sind Sie darauf gekommen?»
    «Ich weiß nicht», sagte ich. «Es gibt doch nicht für alles eine Erklärung.»
    «So? Ich bin mit der Idee aufgewachsen, daß es das wohl gibt.»
    «Wie schön.»
    «Müssen wir uns auf diese Art und Weise unterhalten?»
    «Nein», sagte ich.
    «Das macht es einfacher, nicht wahr?» sagte sie.
    «Was haben Sie da für einen Stock?» fragte ich. Miss Barkley war ziemlich groß. Sie trug etwas, was mir wie Schwesterntracht aussah, war blond und hatte eine gebräunte Haut und graue Augen. Ich fand sie sehr schön. Sie trug einen dünnen Rohrstock, wie eine Spielzeugreitgerte, mit Leder eingefaßt.
    «Er
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