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In einem anderen Land

In einem anderen Land

Titel: In einem anderen Land
Autoren: Ernest Hemingway
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Blechbüchse, der Stahlhelm an demselben Haken. Am Fußende meines Bettes stand mein flacher Koffer, und meine Winterstiefel, deren Leder vor Fett glänzten, standen auf dem Koffer. Meine österreichische Mauserbüchse mit ihrem brünierten achteckigen Lauf und der dem Gesäß angepaßte Jagdstock aus wunderschönem dunklem Walnußholz hingen über den Betten. Das Teleskop, das daraufpaßte, war - ich erinnerte mich - im Koffer eingeschlossen. Leutnant Rinaldi lag schlafend auf dem anderen Bett. Er wachte auf, als er mich im Zimmer hörte, und setzte sich auf.
    «Ciao», sagte er. «Nun, wie war's?»
    «Herrlich.»
    Wir schüttelten einander die Hand, und er umarmte und küßte mich.
    «Uff!» sagte ich.
    «Schmutzig bist du», sagte er. «Du solltest dich waschen. Wo warst du und was hast du gemacht? Erzähl mir alles auf einmal.»
    «Ich war überall. In Mailand, in Florenz, Rom, Neapel, Villa San Giovanni, Messina, Taormina -»
    «Du redest wie ein Fahrplan. Hast du was Feines erlebt?»
    «Ja!»
    «Wo?»
    «In Milano, Firenze, Roma, Napoli-»
    «Genug, genug. Erzähl mir, was das Schönste war?»
    «In Milano.»
    «Klar, weil's das erste war. Wo hast du sie getroffen? Bei Cow? Wo wart ihr? Wie war's? Erzähl mir alles auf einmal. Bist du die ganze Nacht geblieben?»
    «Ja.»
    «Das ist gar nichts. Hier haben wir jetzt fabelhafte Mädchen. Neue Mädchen, die noch nie an der Front waren.»
    «Wunderbar.»
    «Du glaubst mir nicht? Wir gehen jetzt am Nachmittag gleich hin, da kannst du sehen. Und drinnen in der Stadt gibt es wunderschöne englische Mädchen. Ich bin jetzt in Miss Barkley verliebt. Ich nehm dich mit, da kannst du deine Aufwartung machen. Wahrscheinlich werde ich Miss Barkley heiraten.»
    «Ich muß mich jetzt waschen und mich zurückmelden. Arbeitet denn hier keiner?»
    «Seit du weg bist haben wir hier nur Erfrorene, Frostbeulen, Gelbsucht, Tripper, Selbstverstümmelungen, Lungenentzündungen und harten und weichen Schanker. Jede Woche wird jemand durch Felsstücke verletzt. Es gibt auch ein paar richtige Verwundete. Nächste Woche fängt der Krieg wieder an. Vielleicht fängt er wieder an. Man sagt es. Würdest du an meiner Stelle Miss Barkley heiraten - natürlich nach dem Krieg?»
    «Selbstverständlich», sagte ich und goß die Schüssel voll Wasser.
    «Heute abend erzählst du mir alles», sagte Rinaldi. «Jetzt muß ich weiterschlafen ; ich muß für Miss Barkley frisch und schön sein. »
    Ich zog meine Jacke und mein Hemd aus und wusch mich in dem kalten Wasser in der Schüssel. Während ich mich mit einem Handtuch abrubbelte, sah ich mich im Zimmer um und aus dem Fenster und auf Rinaldi, der mit geschlossenen Augen auf seinem Bett lag. Er war ein hübscher Kerl, ebenso alt wie ich und kam aus Ama lfi. Er war mit Begeisterung Chirurg, und wir waren sehr befreundet. Während ich ihn noch so betrachtete, schlug er die Augen auf.
    «Hast du Geld?»
    «Ja.»
    «Leih mir 50 Lire.»
    Ich trocknete meine Hände ab und zog meine Brieftasche aus dem Innern meiner Jacke, die an der Wand hing. Rinaldi nahm den Schein, faltete ihn zusammen, ohne sich vom Bett zu erheben, und ließ ihn in die Hosentasche gleiten. Er lächelte.
    «Ich muß bei Miss Barkley den Eindruck eines einigermaßen wohlhabenden Mannes machen. Du bist mein großer Freund und Geldgeber.»
    «Geh zum Teufel», sagte ich.
    An demselben Abend saß ich im Kasino neben dem Priester, und er war enttäuscht und plötzlich gekränkt, weil ich nicht in den Abruzzen gewesen war. Er hatte seinem Vater geschrieben, daß ich kommen würde, und man hatte meinetwegen Vorbereitungen getroffen. Mir war genauso scheußlich zumute wie ihm, und ich konnte nicht verstehen, warum ich nicht hingefahren war. Gerade das hatte ich vorgehabt, und ich versuchte ihm zu erklären, wie eine Sache immer die andere nach sich gezogen hatte, und endlich sah er es auch ein und glaubte mir, daß ich wirklich die Absicht gehabt hatte hinzufahren, und es war beinahe alles wieder gut. Ich hatte viel Wein getrunken und nachher Kaffee und Strega, und ich erklärte, des Weines voll, wie wir nie die Dinge täten, die wir tun wollten; nie, nie.
    Wir zwei unterhielten uns, während die anderen diskutierten. Ich hatte in die Abruzzen gewollt. Ich war nirgends gewesen, wo die Wege gefroren und hart wie Stahl waren, wo es klar-kalt und trocken war und der Schnee trocken und pudrig und Hasenspuren im Schnee und die Bauern die Hüte vor einem zogen und einen Herr Baron nannten und es
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