Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In einem anderen Land

In einem anderen Land

Titel: In einem anderen Land
Autoren: Ernest Hemingway
Vom Netzwerk:
an den Tischen serviert wurde, Buch führte, und ein Junge in einer Schürze. Ich überlegte, wieviel Kinder die Frau wohl gehabt hatte und wie es gewesen war.
    Als ich mit der Choucroute fertig war, ging ich in die Klinik zurück. Die Straße war jetzt ganz sauber. Es standen keine Müllkästen mehr draußen. Der Tag war wolkig, aber die Sonne versuchte durchzubrechen. Ich fuhr mit dem Fahrstuhl hinauf, stieg aus und ging den Korridor entlang nach Catherines Zimmer, wo ich meine n weißen Kittel gelassen hatte. Ich zog ihn an und steckte ihn hinten am Hals zu. Ich sah in den Spiegel und fand, daß ich mit meinem Bart wie ein verkleideter Arzt aussah. Ich ging den Gang entlang zum Kreißsaal. Die Tür war zu, und ich klopfte. Niemand antwortete : ich klinkte auf und ging hinein. Der Doktor saß neben Catherine. Die Schwester machte irgend etwas am anderen Ende des Zimmers.
    «Hier ist Ihr Mann», sagte der Doktor.
    «Ach, Liebling, ich habe den wunderbarsten Doktor, den's gibt», sagte Catherine mit einer sonderbaren Stimme. «Er hat mir eine wunderbare Geschichte erzählt, und als die Wehen zu schlimm wurden, hat er mich bewußtlos gemacht. Er ist wunderbar. Sie sind wunderbar, Doktor.»
    «Du bist betrunken», sagte ich.
    «Ich weiß», sagte Catherine. «Aber du solltest es nicht sagen.» Dann: "Gib's mir. Gib's mir.»
    Sie umklammerte die Maske und atmete kurz und tief. Keuchend, so daß der Respirator knackte. Dann gab sie einen langen Seufzer von sich, und der Doktor ergriff mit der linken Hand die Maske und nahm sie ab.
    «Das war eine sehr große», sagte Catherine. Ihre Stimme war seltsam. «Jetzt werde ich nicht mehr sterben, Liebling. Ich bin darüber hinweg. Bist du nicht froh?»
    «Daß du mir nicht wieder dahinkommst.»
    «Ich werde nicht. Obschon ich keine Angst davor habe. Ich werde nicht sterben, Liebling.»
    «Sie werden nichts derart Dummes machen», sagte der Doktor. «Sie werden doch nicht sterben und Ihren Mann verlassen.»
    «O nein. Ich werde nicht sterben. Ich möchte nicht sterben. Es ist dumm zu sterben. Jetzt kommt's. Gib's mir.»
    Nach einer Weile sagte der Doktor: «Mr. Henry, bitte, gehen Sie einen Augenblick hinaus; ich will eine Untersuchung machen.»
    «Er will sehen, wie weit ich bin», sagte Catherine. «Du kannst nachher wiederkommen, Liebling, nicht wahr, Doktor?»
    «Ja», sagte der Doktor. «Ich lasse ihm sagen, wann er wieder hereinkommen kann.»
    Ich ging zur Tür hinaus und den Gang entlang zu dem Zimmer, in dem Catherine liegen sollte, wenn das Baby da war. Ich saß in einem Stuhl und besah mir das Zimmer. Ich hatte die Zeitung, die ich auf dem Weg zum Café gekauft hatte, in meinem Mantel, zog sie heraus und las sie. Es fing an, draußen dunkel zu werden, und ich drehte das Licht zum Lesen an. Nach einer Weile hörte ich auf zu lesen und drehte das Licht aus und beobachtete, wie es draußen dunkel wurde. Warum der Doktor mich nicht holen ließ? Vielleicht war es besser, ich war weg. Wahrscheinlich wünschte er für einige Zeit meine Abwesenheit. Ich sah auf meine Uhr. Wenn er mich nicht in zehn Minuten holen ließ, würde ich so gehen.
    Arme, arme, liebe Cat. Und dies war der Preis, den du für unser Zusammenschlafen bezahlen mußtest. So sah die Falle zum Schluß aus. Das kriegten Menschen, wenn sie einander liebten. Gott sei Dank gab es wenigstens Äther. Wie mußte es, ehe es Betäubungsmittel gab, gewesen sein? Wenn es einmal begonnen hatte, war man in der Mühlenströmung. Catherine war es in der Zeit der Schwangerschaft gutgegangen. Es war nicht schlimm gewesen. Ihr war kaum je übel. Sie hatte sich nicht besonders unbehaglich gefühlt, bis auf ganz zuletzt: Aber jetzt zum Schluß kriegte es sie. Man kam nie mit etwas einfach davon. Davonkommen zum Teufel! Es wäre dasselbe gewesen, auch wenn wir fünfzigmal verheiratet gewesen wären. Und was, wenn sie starb? Sie wird nicht sterben. Menschen sterben heutzutage nicht mehr im Kindbett. Das dachten alle Männer. Ja, aber wenn sie starb? Sie wird nicht sterben. Sie hat nur viel auszuhalten. Die erste Entbindung zieht sich meistens in die Länge. Sie hat nur viel auszuhalten. Später würden wir dann sagen: soviel auszuhalten, und Catherine würde sagen, daß es eigentlich gar nicht so schlimm gewesen sei. Aber was, wenn sie doch starb? Sie kann nicht sterben. Ja, aber wenn sie doch starb? Sie kann nicht, sag ich dir doch. Sei nicht so dumm. Es ist nur schlimm. Die Natur läßt es sie gemein spüren. Es ist eben die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher