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In einem anderen Land

In einem anderen Land

Titel: In einem anderen Land
Autoren: Ernest Hemingway
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erste Entbindung, die sich fast immer hinzieht. Ja, aber was, wenn sie doch stirbt? Sie kann nicht sterben. Warum sollte sie sterben? Welchen Grund gibt es, daß sie sterben sollte? Es ist doch nur ein Kind, das geboren werden muß, das Beiprodukt glücklicher Nächte in Mailand. Es macht Umstände und wird dann geboren, und dann kümmert man sich darum und gewinnt es möglicherweise lieb. Aber wenn sie sterben muß? Sie wird nicht sterben. Aber was, wenn sie doch stirbt? Sie wird nicht. Es geht alles seinen Gang. Aber was, wenn sie doch stirbt? Sie kann nicht sterben. Aber was, wenn sie doch stirbt? Ja, wie ist es damit? Was, wenn sie doch stirbt?
    Der Doktor kam ins Zimmer.
    «Wie geht es, Doktor?»
    «Es geht nicht», sagte er.
    «Was meinen Sie?»
    «Genau das. Ich habe sie untersucht.» Er beschrieb genau das Resultat seiner Untersuchung. «Seitdem habe ich abgewartet. Aber es geht nicht.»
    «Wozu raten Sie?»
    «Es gibt zwei Dinge. Entweder eine hohe Zangengeburt, die reißen und ziemlich gefährlich sein kann, außerdem möglicherweise schlecht für das Kind ist, und einen Kaiserschnitt.»
    «Was ist die Gefahr bei einem Kaiserschnitt?» Wenn sie sterben würde!
    «Die ist gewöhnlich nicht größer als bei einer normalen Geburt.»
    «Machen Sie es selbst?»
    «Ja. Ich werde vielleicht eine Stunde brauchen, um alles vorzubereiten und die Leute, die ich benötige, herzubekommen. Vielleicht ein bißchen weniger.»
    «Was meinen Sie?»
    «Ich würde zu einem Kaiserschnitt raten. Wenn es meine Frau wäre, würde ich einen Kaiserschnitt machen.»
    «Was sind die Folgen?»
    «Gar keine. Es bleibt nur eine Narbe.»
    «Wie ist es mit der Infektionsgefahr?»
    «Die Gefahr ist nicht so groß wie bei einer hohen Zangengeburt.»
    «Und was geschieht, wenn Sie es weitergehen lassen und gar nichts tun?»
    «Schließlich müßte man ja etwas tun; Mrs. Henry verliert bereits stark an Kräften. Je eher wir jetzt operieren, desto sicherer.»
    «Operieren Sie, sobald es geht», sagte ich.
    «Ich werde gehen und die Anordnungen treffen.»
    Ich ging in den Kreißsaal. Die Schwester war bei Catherine, die auf dem Tisch lag und dick unter dem Laken und sehr blaß und müde aussah.
    «Hast du ihm gesagt, daß er es machen kann?» fragte sie.
    «Ja.»
    «Das ist großartig. Jetzt wird das Ganze in einer Stunde vorbei sein. Ich bin fast erledigt, Liebling. Ich geh ganz kaputt. Bitte, gib mir das. Es wirkt nicht. Oh, es wirkt nicht.»
    «Atme tief.»
    «Das tu ich ja. Oh, es wirkt nicht mehr. Es wirkt nicht.»
    «Holen Sie einen neuen Zylinder», sagte ich zu der Schwester.
    «Das ist ein neuer Zylinder.»
    «Ich bin ein Esel, Liebling», sagte Catherine. «Aber es wirkt nicht mehr.» Sie fing an zu weinen. «Ach, und ich wollte das Baby so gern haben und keine Schwierigkeiten machen, und jetzt bin ich ganz erledigt und ganz kaputt, und es geht nicht. Ach, Liebling, es wirkt überhaupt nicht. Mir ist es gleich, ob ich sterbe, wenn es nur aufhört. Ach bitte, Liebling, bitte, laß es aufhören. Jetzt kommt es. Oh, oh, oh.» Sie atmete schluchzend in die Maske. «Es wirkt nicht. Es wirkt nicht. Es wirkt nicht. Hör nicht auf mich, Liebling. Bitte, wein nicht. Hör nicht auf mich. Ich bin nur ganz kaputt. Du armer Süßer. Ich liebe dich so und ich werde wieder tapfer sein. Ich werde diesmal tapfer sein. Kann man mir denn nichts geben? Wenn man mir nur etwas geben könnte.»
    «Paß auf, jetzt wird's wirken. Ich dreh es ganz auf.»
    «Gib es mir jetzt.»
    Ich drehte die Scheibe ganz herum, und als sie schwer und tief atmete, entspannte sich ihre Hand auf der Maske. Ich drehte das Gas ab und hob die Maske. Sie kam von weit her.
    «Das war herrlich, Liebling. Ach, du bist so gut zu mir.»
    «Du mußt tapfer sein, ich kann das nicht immer machen, es kann dich töten.»
    «Ich bin nicht mehr tapfer, Liebling. Ich bin ganz kaputt. Man hat mich kaputtgemacht. Ich weiß es jetzt.»
    «Das geht allen so.»
    «Aber es ist schrecklich. Es dauert so lange, bis man kaputt ist.»
    «In einer Stunde ist alles vorbei.»
    «Ist das nicht herrlich? Liebling, ich werde doch nicht sterben, nicht wahr?»
    «Nein, ich versprech's dir.»
    «Weil ich nicht sterben will und dich nicht verlassen will, aber ich werde so müde davon und ich fühle, daß ich sterben werde.»
    «Unsinn. Alle fühlen es so.»
    «Manchmal weiß ich, daß ich sterben werde.»
    «Du wirst nicht. Du kannst nicht.»
    «Aber wenn ich sterben würde?»
    «Ich lasse dich nicht.»
    «Gib's mir
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