Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In einem anderen Land

In einem anderen Land

Titel: In einem anderen Land
Autoren: Ernest Hemingway
Vom Netzwerk:
weißen Kittel an und steckte ihn hinten am Hals mit einer Sicherheitsnadel zu.
    «Jetzt können Sie hineingehen», sagte sie. Ich ging in das Zimmer.
    «Tag, Liebling», sagte Catherine mit einer zerquälten Stimme. «Mit mir ist nicht viel los.»
    «Sind Sie Mr. Henry?» fragte der Doktor.
    «Ja. Wie geht es, Doktor?»
    «Es geht alles sehr gut», sagte der Doktor. «Wir sind hier hereingegangen, weil ich hier schnell gegen die Schmerzen Äther geben kann.»
    «Ich brauche es jetzt», sagte Catherine. Der Doktor legte die Gummimaske über ihr Gesicht und drehte eine Scheibe, und ich beobachtete, wie Catherine tief und schnell atmete. Dann schob sie die Maske weg. Der Doktor schloß den Hahn.
    «Das war keine sehr große. Ich hatte eine sehr große vor kurzem. Der Doktor hat mich ganz bewußtlos gemacht, nicht wahr, Doktor?» Ihre Stimme war merkwürdig. Sie hob sich bei dem Wort «Doktor».
    Der Doktor lächelte.
    «Jetzt wieder», sagte Catherine. Sie hielt den Gummi fest ans Gesicht und atmete schnell. Ich hörte sie ein bißchen stöhnen. Dann zog sie die Maske fort und lächelte.
    «Das war eine große», sagte sie. «Das war eine sehr große. Mach dir keine Sorgen, Liebling. Geh weg, weg und frühstücke noch mal.»
    «Ich bleibe hier», sagte ich.
    Wir waren ungefähr um drei Uhr morgens in die Klinik gekommen. Mittags war Catherine immer noch im Kreißsaal. Die Schmerzen hatten wieder nachgelassen. Sie sah sehr müde und verbraucht aus, aber sie war noch vergnügt.
    «Ich tauge nicht dazu, Liebling», sagte sie. «Es tut mir so leid. Ich dachte, es würde ganz leicht gehen. So, da ist eine.» Sie langte mit der Hand nach der Maske und hielt sie übers Gesicht. Der Doktor drehte die Scheibe und beobachtete sie. Nach kurzer Zeit war es vorbei.
    «Das war nicht viel», sagte Catherine. Sie lächelte: «Ich bin verrückt mit dem Äther. Es ist herrlich.»
    «Wir besorgen welchen für zu Hause», sagte ich.
    «Da kommt eine», sagte Catherine schnell. Der Doktor drehte die Scheibe und sah auf die Uhr.
    «Wie sind jetzt die Abstände?» fragte ich.
    «Ungefähr eine Minute.»
    «Wollen Sie nicht essen gehen?»
    «Ich werde bald was essen», sagte er.
    «Sie müssen was essen, Doktor», sagte Catherine. «Es tut mir so leid, daß ich so lange mache. Könnte mein Mann mir nicht den Äther geben?»
    «Wenn Sie wollen», sagte der Doktor, «Sie drehen auf Nummer zwei.»
    «Ich verstehe», sagte ich. Die Scheibe, die man mit einem Griff drehen konnte, hatte Markierungen.
    «Jetzt bitte», sagte Catherine. Sie hielt die Maske fest an ihr Gesicht. Ich drehte die Scheibe auf Nummer zwei, und als Catherine die Maske hinlegte, drehte ich ab. Es war sehr gut von dem Doktor, daß er mich etwas tun ließ.
    «Hast du es gemacht, Liebling?» fragte Catherine. Sie streichelte mein Handgelenk.
    «Natürlich.»
    «Du bist so wunderbar.» Sie war ein bißchen vom Äther benebelt.
    «Ich laß mir das Essen auf einem Tablett ins Nebenzimmer bringen», sagte der Doktor. «Sie können mich jeden Augenblick rufen.» Während die Zeit verging, beobachtete ich ihn beim Essen, dann nach einer Weile sah ich, daß er sich hingelegt hatte und eine Zigarette rauchte. Catherine wurde sehr müde.
    «Glaubst du, daß ich das Baby jemals bekommen werde?» fragte sie.
    «Aber natürlich wirst du.»
    «Ich gebe mir so große Mühe, wie ich kann. Ich presse herunter, aber es geht immer wieder fort. Da kommt's. Gib's mir.»
    Um zwei Uhr ging ich aus und aß zu Mittag. Im Café saßen ein paar Männer an den Tischen, vor ihnen Kaffee und Gläser voll Kirsch oder Marc. Ich setzte mich an einen Tisch. «Kann ich was zu essen bekommen?» fragte ich den Kellner. «Die Essenszeit ist schon vorbei.» «Gibt es nicht etwas, was Sie fertig haben?» «Sie können Choucroute bekommen.» «Geben Sie mir Choucroute und Bier.» «Ein Kleines oder ein Großes?» «Ein kleines Helles.»
    Der Kellner brachte eine Schüssel m Sauerkraut mit einer Scheibe Schinken darauf und einer Wurst, die in dem heißen, weindurchsaugten Kohl begraben lag. Ich aß es und trank das Bier. Ich war sehr hungrig. Ich beobachtete die Leute an den Tischen im Café. An einem Tisch wurde Karten gespielt. Zwei Männer an dem Tisch neben mir unterhielten sich und rauchten. Das Café war voller Rauch. Hinter der verzinkten Theke, an der ich gefrühstückt hatte, befanden sich jetzt drei Leute; der alte Mann, eine plumpe Frau in einem schwarzen Kleid, die hinter der Kasse saß und über alles, was
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher