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In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe
Autoren: Tess Gerritsen
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mit der Air Force aus. Jack war immer noch gesund, obwohl er schon drei Tage an Bord der ISS war – ein Zeichen dafür, dass das Ranavirus sowohl zur Heilung der Chimäreninfektion als auch zur Vorbeugung geeignet war. Und allein die Tatsache, dass Emma noch am Leben war, durfte als Triumph gelten.
    Wenn auch vielleicht nur vorübergehend.
    Gordon empfand eine tiefe Traurigkeit, während er ihr EKG auf dem Monitor verfolgte.
Wie lange kann das Herz noch weiterschlagen, wenn das Gehirn zerstört ist? Wie lange kann der Körper im Koma überleben?
Dieses langsame Dahinsiechen einer Frau mitzuerleben, die einst so voller Leben gewesen war, das war weit qualvoller, als Zeuge ihres plötzlichen Todes bei einer Katastrophe zu werden.
    Plötzlich richtete er sich, den Blick starr auf den Monitor gerichtet, kerzengerade auf. »Todd«, sagte er. »Was passiert da mit ihr?«
    »Was?«
    »Da stimmt etwas nicht mit ihrem Herz.«
    Todd hob den Kopf und blickte auf die Anzeige, die über den Bildschirm flimmerte. »Nein«, sagte er und streckte die Hand nach der Sprechtaste aus. »Das ist nicht ihr Herz.«
    Das schrille Heulen des Monitors schreckte Jack aus seinem Dämmerschlaf. In den Jahren der medizinischen Ausbildung und in den zahllosen Nächten im Bereitschaftsdienst hatte er gelernt, selbst aus dem tiefsten Schlaf sofort hellwach aufzutauchen; und kaum hatte er die Augen geöffnet, wusste er auch schon, wo er war. Er wusste, dass etwas nicht in Ordnung war.
    Er drehte sich in die Richtung des Geräuschs um und war einen Moment lang verwirrt, weil alles auf dem Kopf stand. Emma schien mit dem Gesicht nach unten an der Decke zu hängen. Eines ihrer drei EKG-Kabel hatte sich gelöst und trieb in der Luft wie ein Büschel Seegras im Wasser. Er vollführte eine Drehung um hundertachtzig Grad, und alles war wieder an seinem Platz.
    Er schloss das Kabel wieder an. Sein eigenes Herz raste, als er in banger Erwartung den Monitor beobachtete. Zu seiner Erleichterung leuchtete ein normaler Rhythmus auf.
    Und dann – noch etwas anderes. Die Linie erzitterte.
Eine Bewegung.
    Er blickte auf Emma. Und sah, dass ihre Augen offen waren. »Die ISS antwortet nicht«, sagte der Capcom.
    »Versuchen Sie es weiter. Wir müssen ihn sofort sprechen!«, gab Todd zurück.
    Gordon starrte auf die Biotelemetrieanzeige. Er verstand nicht, was er da sah, befürchtete aber das Schlimmste. Das EKG flackerte auf und nieder und wurde dann plötzlich flach.
Nein,
dachte er.
Wir haben sie verloren!
    »Es ist nur eine Unterbrechung«, sagte Todd. »Das Kabel hat sich gelöst. Vielleicht hat sie Krämpfe.«
    »Immer noch keine Antwort von der ISS«, sagte der Capcom. »Was zum Teufel geht da oben vor?«
    »Sehen Sie nur!«, sagte Gordon.
    Die beiden Männer erstarrten, als plötzlich ein neuer Leuchtpunkt auf dem Bildschirm auftauchte. Es folgte ein Zweiter und kurz darauf ein Dritter.
    »Surgeon, ich habe die ISS dran«, verkündete der Capcom. »Er verlangt sofort mit Ihnen zu sprechen.«
    Todd fuhr zusammen und beugte sich vor. »Ground Control, sichern Sie die Verbindung! Ich höre, Jack.«
    Es war eine private Unterhaltung; Todd allein hörte, was Jack sagte. In der Stille, die plötzlich eingetreten war, waren alle Augen auf die Konsole des Surgeon gerichtet. Selbst Gordon, der direkt neben Todd saß, konnte seinen Gesichtsausdruck nicht deuten. Todd saß vornübergebeugt da und hatte, wie um sich von jeglicher Ablenkung abzuschotten, beide Hände über die Kopfhörer gelegt.
    Dann sagte er: »Moment mal, Jack. Hier unten sind eine Menge Leute, die darauf warten, das zu hören. Sagen wir’s ihnen.«
    Todd drehte sich zu Flugdirektor Ellis um und reckte triumphierend den Daumen in die Luft. »Watson ist wach! Sie redet!«
    Was dann geschah, würde sich unauslöschlich in Gordon Obies Erinnerung eingraben. Er hörte Stimmen, die zu lautstarken Jubelrufen anschwollen. Er spürte Todds Hand, die ihm kräftig auf den Rücken klopfte. Liz Gianni stieß ein wildes Triumphgeheul aus. Und Woody Ellis ließ sich mit einem Blick, der ungläubiges Staunen und Erleichterung ausdrückte, in seinen Stuhl fallen.
    Aber woran sich Gordon am deutlichsten erinnern würde, war seine eigene Reaktion. Er sah sich im Raum um und stellte plötzlich fest, dass seine Kehle eng wurde und sein Blick sich trübte. In all den Jahren bei der NASA hatte nie jemand Gordon Obie weinen sehen. Und das sollte verdammt noch mal so bleiben.
    Sie jubelten immer noch, als er sich von seinem
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