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In der Schwebe

In der Schwebe

Titel: In der Schwebe
Autoren: Tess Gerritsen
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Stuhl erhob und unbemerkt den Raum verließ.

Fünf Monate später Panama City, Florida
    Als die Tür der Überdruckkammer sich endlich öffnete, hallte das Quietschen der Scharniere und das Klirren von Metall in dem riesigen NASA-Hangar wider. Jared Profitt beobachtete, wie zuerst die beiden Marineärzte ausstiegen und, sobald sie draußen waren, tief Luft holten. Sie hatten über einen Monat in dieser klaustrophobischen Enge verbracht und schienen von ihrer plötzlichen Rückkehr in die Freiheit noch etwas benommen. Dann machten sie kehrt, um den beiden anderen Insassen aus der Kammer zu helfen.
    Emma Watson und Jack McCallum stiegen aus. Beide sahen zu Jared Profitt hin und kamen auf ihn zu.
    »Willkommen zurück in der Welt, Dr. Watson«, sagte er, indem er die Hand zur Begrüßung ausstreckte.
    Nach kurzem Zögern schüttelte Emma ihm die Hand. Sie sah viel dünner aus als auf den Fotos. Zerbrechlicher. Vier Monate Quarantäne im Weltraum, gefolgt von fünf Wochen in der Überdruckkammer, hatten ihren Tribut gefordert. Ihre Muskeln hatten sich zurückgebildet, und die dunklen leuchtenden Augen wirkten riesig in ihrem blassen Gesicht. Das nachwachsende Haar an ihrer Schläfe war, in auffallendem Kontrast zu ihrer braunen Mähne, silbergrau.
    Profitt sah die beiden Marineärzte an. »Würden Sie uns bitte allein lassen?« Er wartete, bis ihre Schritte verhallt waren.
    Dann fragte er Emma: »Fühlen Sie sich gut?«
    »Einigermaßen«, sagte sie. »Angeblich bin ich völlig gesund.«
    »Soweit sich das feststellen lässt«, verbesserte er sie. Die Unterscheidung war wichtig. Sie hatten zwar nachweisen können, dass das Ranavirus bei Versuchstieren in der Tat die Chimäre vernichtete, doch war die langfristige Prognose für Emma keineswegs sicher. Seit sie mit der
Endeavour
gelandet war, hatte sie sich wiederholt Bluttests, Röntgenuntersuchungen und Biopsien unterziehen müssen. Und obwohl alle Resultate negativ waren, hatte das USAMRIID darauf bestanden, dass sie während der Tests in der Überdruckkammer blieb. Vor zwei Wochen war der Druck in der Kammer auf den normalen Wert von einer Atmosphäre gesenkt worden. Sie war gesund geblieben.
    Auch jetzt war sie noch nicht gänzlich frei. Sie würde für den Rest ihres Lebens ein Forschungsobjekt bleiben.
    Er sah Jack an und las Feindseligkeit in den Augen des Mannes. Jack hatte nichts gesagt, doch er hatte den Arm in einer schützenden Geste um Emmas gelegt, einer Geste, die unmissverständlich sagte:
Sie werden sie mir nicht wegnehmen.
    »Dr. McCallum, es ist Ihnen hoffentlich klar, dass ich alle Entscheidungen, die ich getroffen habe, aus gutem Grund so getroffen habe.«
    »Ich verstehe Ihre Gründe. Das heißt nicht, dass ich mit Ihren Entscheidungen einverstanden bin.«
    »Dann sind wir uns immerhin so weit einig – wir verstehen uns.« Er bot ihm nicht die Hand an, weil er spürte, dass McCallum ihm die seine verweigern würde. Stattdessen sagte er nur:»Draußen warten einige Leute darauf, Sie zu sehen. Ich will Sie nicht länger von Ihren Freunden fern halten.« Er wandte sich zum Gehen.
    »Warten Sie«, sagte Jack. »Was geschieht jetzt?«
    »Sie sind frei und können gehen, wohin Sie wollen. Solange Sie regelmäßig zu den Untersuchungen kommen.«
    »Nein, ich meinte, was geschieht mit den Verantwortlichen? Mit denen, die die Chimäre an Bord gebracht haben?«
    »Diese Leute werden keine Entscheidungen mehr treffen.«
    »Das ist alles?« Jacks Stimme hob sich im Zorn. »Keine Bestrafung, keine Konsequenzen?«
    »Das wird alles in der üblichen Weise abgewickelt. So, wie es bei einer Regierungsbehörde immer gemacht wird, was die NASA letztendlich ist. Eine diskrete Abschiebung auf einen unbedeutenderen Posten. Und dann das Ausscheiden in aller Stille. Es kann keine Untersuchung geben, keine Enthüllungen. Die Chimäre ist zu gefährlich, als dass der Rest der Welt davon erfahren dürfte.«
    »Aber es sind Menschen zu Tode gekommen.«
    »Man wird es auf das Marburg-Virus schieben. Versehentlich mit einem infizierten Affen in die ISS eingeschleust. Luther Arnes’ Tod wird man auf eine technische Störung des CRV zurückführen.«
    »
Irgendjemand
sollte zur Verantwortung gezogen werden.«
    »Wofür, für eine Fehlentscheidung?« Profitt schüttelte den Kopf. Er drehte sich um und sah zu der geschlossenen Tür des Hangars, durch die ein Streifen Sonnenlicht fiel. »Hier ist kein Verbrechen zu bestrafen. Das sind Leute, die schlicht und einfach Fehler gemacht
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