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In den Spiegeln - Teil 2 - Evelyn

In den Spiegeln - Teil 2 - Evelyn

Titel: In den Spiegeln - Teil 2 - Evelyn
Autoren: Ales Pickar
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lässt, schaltet sie sich nach paar Minuten wieder ein.«
    »Ist vermutlich nur irgendeine Einstellung«, entgegnete ich und blätterte in einer Zeitschrift.
    Ich lauschte dem Wasser der Dusche, während es gegen die Plastikplane und die Emaillewanne trommelte. Ich hörte, wie es in einer gänzlich anderen Tonlage gegen Evelyns nackten Körper prasselte.
    Den Gedanken daran, das Geheimnis auf eigene Faust zu lüften, vertrieb ich schnell. Ich führte hier ein sehr bequemes Leben. Und ich hatte vom ersten Tag an die Sorge, dass diese Konstruktion in sich zusammenfällt, wenn ich anfange, darin herumzustochern.
    Der Game Boy ließ mich seit meiner Ankunft in Hamburg ebenfalls im Stich. Das Gerät schwieg und verwandelte sich in ein dickköpfiges, stummes Stück Plastik.
    Ich vermutete inzwischen, dass das Rätsel sich niemals auflösen sollte, da die betreffenden Schlüsselfiguren Paul Lichtmann, Manzio und die unbekannte Frau, die ich zuletzt im Rückspiegel des Kleinbusses sah, während ich wegfuhr, tot waren. Darum ist niemand hierhergekommen, um mir zu erklären, wer die thailändischen Mädchen waren, wer Manzio wirklich war, was vor sich ging. Gerade was Manzio betraf, war ich über diesen Gedanken manchmal sehr betrübt.
    Es ist seltsam, mit einem Rätsel zu leben. Man kann es nicht lösen, aber auch nicht ignorieren. Man kann es niemanden erklären, denn es ergibt keinen Sinn. Außer in dem einen Moment des Zweifels auf dem Münchner Hauptbahnhof, hatte ich niemals wieder daran gedacht, zur Polizei zu gehen. Es gibt Angelegenheiten, mit denen geht man zur Polizei. Aber damit? Es tat nicht einmal weh.
    Ich hatte früher in einer sterilen Stadt gelebt, in einem seltsamen Haus auf vierundzwanzig Quadratmetern vegetiert, mit Kartons, die sich bis zur Decke stapelten — ich war allein und ständig stoned. Tagsüber saß ich als Buchhalter in einer der belanglosesten Firmen des Universums. Und nun plötzlich bewohnte ich dieses Riesenappartement in St. Pauli, das jemand für mich bezahlte. Ich hatte eine Geliebte, die aus einem William-Gibson-Roman stammen konnte. Ich ging jeden Abend zu Vernissagen und trieb mich in Nachtclubs herum. Wer würde da zur Polizei gehen? Damit diese mir dann helfen könnte, mein altes Leben wiederzubekommen? Danke, danke, aber Elvis hat das Gebäude verlassen.
    Ich wählte das Leben mit dem Geheimnis und begann nach Monaten anzunehmen, dass es nie gelüftet werden würde. Dass es einen komplexen Plan gab, der mich zwar damals einbezog, aber irgendein Glied in der Kette gebrochen war und ich deshalb isoliert auf diesem gemütlichen Warteposten hing.
    Wer bezahlte aber den Strom und das Telefon?
    Es mochte Konten geben. Von diesen Konten wurden womöglich jeden Monat automatisch Überweisungen und Lastschriften transferiert, ungeachtet dessen, dass die Besitzer der Konten verschwunden oder tot waren.
    Ich konnte die wenigen Fakten, die mir zur Verfügung standen wieder und immer wieder wie Kaffee durch die Mühle meiner Überlegungen mahlen, die Wahrheit blieb im Schatten. Meine Gedanken schwirrten wie Glühwürmchen um ein dunkles unbeschreibliches Nichts.

2.02 Biologie und Geist
     
    Also von Anfang an...
    Hamburg hatte weder die Thailänderinnen, noch mich erwartet. Niemand stand dort auf dem Bahnsteig und empfing uns. Niemand nahm mich beiseite und erklärte mir, was hier gespielt wurde.
    Ich suchte nach der Wohnung auf der Visitenkarte und fand sie keine fünf Minuten von der Reeperbahn entfernt. Der Schlüssel auf der Rückseite der Karte passte. Die Wohnung hatte alles, was man brauchte, in einer schlichten schmucklosen Ausführung. Nicht ohne Geschmack, doch mit Betonung auf Raum und Neutralität. Es gab ein Telefon, und es gab einen Fernseher. Die Küche war in gutem Zustand. Entweder überragend gut gereinigt oder einfach nur kaum benutzt. Das Badezimmer war einfach, doch es hatte fast die Größe meiner gesamten Münchner Wohnung. Ich schätzte Dr. Mårtenssons Appartement auf mindestens hundertfünfzig Quadratmeter. Hier hätten sich meine Comic-Sammlungen gut verstauen lassen.
    Die vier Mädchen zogen sich schnatternd im Schlafzimmer zurück und besetzten das große Bett, und so machte ich es mir im Wohnzimmer auf dem Sofa bequem.
    Dort hatte ich auf dem Boden einen kleinen Bücherstapel gefunden. CDs oder Filme gab es hier nicht. Keine Nachricht oder weitere Anweisungen. Ich sah mir die Buchrücken an und fand, dass sie nahtlos zu jenen Kopfschmerzschinken gehörten, die
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