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In den eisigen Tod

In den eisigen Tod

Titel: In den eisigen Tod
Autoren: Diana H. Preston
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gebaut und ein Spätentwickler mit Furcht vor Blut und einem Hang zum Einzelgängertum. Andererseits war er auch der erste, der sich für seinen Bruder und seine Schwestern gewagte Spiele ausdachte, unter anderem so beunruhigende Kunststücke wie über eine Veranda und das Glasdach zu klettern und sich aus ungefähr vier Metern Höhe auf den Boden fallen zu lassen; ein Ausrutscher hätte einen verhängnisvollen Sturz durch das Glas und auf den darunter liegenden Steinfußboden bedeutet. Er konnte launisch und schwierig sein, neigte zu heftigen Wutausbrüchen und war ein schlechter Verlierer. Doch er war auch warmherzig und liebevoll, verfügte über eine gehörige Portion Charme und blieb seiner großen Familie sein Leben lang zutiefst verbunden.
    Scott wurde am 6. Juni 1868 in Devonport in eine Mittelschichtfamilie mit starker Vorliebe für die Marine hinein geboren. Zunächst kamen zwei Töchter, Ettie und Rose, zur Welt, dann folgte Robert Falcon. Nach ihm kamen eine weitere Tochter, Grace, ein Bruder namens Archie und schließlich Katherine. Scott verlebte eine glückliche, unbeschwerte Kindheit. Die Geschwister sorgten für ihre eigenen Belustigungen, denn sie wohnten zwar in einem geräumigen Haus mit vielen Bediensteten, doch an Bargeld herrschte Mangel. Das große alljährliche Vergnügen bestand darin, sich im Theater von Plymouth Pantomimen anzusehen. Scott liebte das Geheimnisvolle und das Dramatische am Theater, und die Magie jener alljährlichen Ausflüge vergaß er sein Leben lang nicht.
    Hannah Scott, die Mutter, widmete einen Großteil ihrer Zeit der Pflege ihrer betagten Eltern, und John Scott war zwar ein liebevoller, aber nicht gerade energiegeladener Vater. So konnten die Kinder weitgehend tun, was sie wollten, und Kindermädchen und Gouvernanten mit Leichtigkeit ausmanövrieren. Sie veranstalteten waghalsige Klettertouren über hohe, verschlossene Tore, die zum Süßigkeitenladen des Dorfes führten, und erlebten herrliche Abenteuer, wenn sie sich in einem Trog einen Bach hinuntertreiben ließen. Mit acht Jahren erklärte sich Scott offensichtlich zum »Admiral«, erfand eine Art Schießpulver und katapultierte seinen Feind, die Terror of Devon (in Wirklichkeit ein einfaches Holzbrett), aus dem Wasser hinaus. Eines Tages kippte »Cons« Trog um, und er und sein entzückender, aber unpraktischer schwarzer Samtanzug wurden patschnass. Seine Schwester erinnerte sich daran, wie sein von einem Lachanfall geschüttelter Vater ihn beim Hosenboden packte, während der kleine Scott sich die Augen ausheulte.
    Es gab noch andere Missgeschicke. Einmal schnitt sich der sieben jährige Scott, als er mit seinem ersten Taschenmesser spielte. Statt ein großes Tamtam zu veranstalten, steckte er seine verletzte Hand in die Hosentasche und ging davon, als sei nichts geschehen. Diese Geschichte wird oft zitiert, und zwar in dem Sinne, dass Helden »Besserungsgeschichten« aus ihrer Jugend angeheftet werden als früher Hinweis auf ihr späteres heroisches Schicksal; damit verbunden wurde die Geschichte seines Onkels, der, von einem Tiger übel zugerichtet, seine Wunde mit imperialer Kaltblütigkeit selbst verätzte. Auch wenn der kleine Scott hier ein beachtliches Maß an Selbstbeherrschung an den Tag legte, so hatte sein Verhalten wahrscheinlich eher praktische als heroische Gründe – hätte er viel Aufhebens gemacht, hätte man ihm das Messer weggenommen. Außerdem pflegte er beim Anblick von Blut in Ohnmacht zu fallen.
    Es gibt noch andere sympathische Einblicke in das Leben auf Outlands, dem Familiengut – die Ausflüge in die nahe gelegene Pfarrkirche St. Mark’s, bei denen Scott in seinem Eton-Anzug mit weißem Kragen herumzappelte; als er im Alter von acht Jahren der Gouvernante seiner Schwester entwachsen war und jeden Tag auf seinem Pony Beppo zur Schule in Stoke Damerel ritt; seine Liebe zu Tieren – seien es der stämmige kleine Beppo, die Hunde der Familie oder der Pfau, der auf dem Rasen kreischte und umher stolzierte. Eines Tages wurde er, als er im Trab von der Schule nach Hause ritt, von einem besonders eindrucksvollen Ausblick abgelenkt. Er stieg ab, um zu einem besseren Aussichtspunkt zu gelangen, und ließ Beppo einfach davonlaufen. Später kam eine kleine, niedergeschlagene Gestalt den Weg herauf getrottet und hatte die unangenehme Aufgabe, seinen Eltern die Sache zu erklären. Doch er hatte jeder Polizeistation, an der er vorbeikam, eine Beschreibung von Beppo gegeben und bewies damit, dass
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