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In den Armen der Nacht

In den Armen der Nacht

Titel: In den Armen der Nacht
Autoren: J.D. Robb
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als gewöhnlich schmecken, dachte sie.
    Vorsichtig zog sie die Tür des Kühlschranks auf.
    Plötzlich kam ihr der Gedanke, dass ihre Mutter solche Sachen vielleicht zählte. Vielleicht hatte sie ja eine Liste und auf der hakte sie jede Limonade und jede Süßigkeit, die sie verzehrten, ab.
    Aber für einen Rückzieher war es zu spät. Sie würde sich einfach später Gedanken machen, falls sie für die verbotene Tat einen Preis bezahlen müsste.
    Die Limonadendose in der Hand schlurfte sie ans Küchenende, von wo aus sie die Tür zu Ingas Zimmer im Auge behalten und hinter der Kochinsel verschwinden konnte, falls es nötig war.
    Sie öffnete die Dose in der Dunkelheit und nahm den ersten verbotenen Schluck.
    Es schmeckte ihr so gut, dass sie auf der Bank in der Frühstücksecke Platz nahm, um jeden Tropfen ihres köstlichen Getränks zu genießen.
    Kaum hatte sie es sich jedoch bequem gemacht, als ein Geräusch an ihre Ohren drang und sie auf der Bank unter dem Tisch in Deckung ging. Dann sah sie eine Bewegung und dachte: Jetzt hat sie mich erwischt!
    Doch der Schatten glitt vollkommen lautlos durch die Küche bis zur Tür von Ingas Zimmer und ging dann einfach hinein.
    Ein Mann. Nixie fing fröhlich an zu kichern und hielt sich eilig eine Hand vor ihren Mund. Inga hatte einen Freund! Dabei war sie schon so alt – sie musste mindestens vierzig sein. Anscheinend hatten nicht nur Linnies Eltern heute Abend Sex.
    Die Versuchung war zu groß, und so ließ sie ihre Limodose einfach stehen und glitt leise von der Bank. Sie musste einfach gucken, musste einfach sehen, was dort geschah. Deshalb schlich sie durch die Küche in Ingas kleines Wohnzimmer und von dort weiter zum Schlafraum,
vor dessen offener Tür sie sich auf alle viere fallen ließ.
    Wenn Linnie das erfahren würde, würde sie grün vor Neid.
    Mit vergnügt blitzenden Augen hielt Nixie sich erneut den Mund zu, um sich nicht durch ein Kichern zu verraten, schob sich ein Stückchen weiter, legte ihren Kopf ein wenig schräg …
    … und sah, wie der Mann Inga die Kehle durchschnitt.
    Sie sah das herausspritzende Blut. Hörte ein grauenhaftes, gurgelndes Geräusch. Sie atmete zischend in ihre vor den Mund gepresste Hand, schob sich ein Stück zurück und drückte sich, während das wilde Pochen ihres Herzens ihre Brust zu sprengen drohte, mit dem Rücken gegen die Wand.
    Er kam wieder heraus, ging direkt an ihr vorbei und verschwand durch die offene Tür.
    Tränen quollen ihr aus den Augen und flossen zwischen ihren gespreizten Fingern in Richtung ihres Kinns. Zitternd kroch sie durch das Zimmer, versteckte sich hinter einem Stuhl, streckte die Hand nach Ingas auf dem Tisch liegenden Handy aus …
    … und rief flüsternd die Polizei.
    »Er hat sie umgebracht, er hat sie umgebracht. Sie müssen kommen«, wisperte sie ein ums andere Mal, ohne auf die Fragen am anderen Ende der Leitung einzugehen. »Sofort. Sie müssen sofort kommen.« Sie nannte die Adresse, ließ das Handy achtlos auf dem Boden liegen und kroch langsam bis zu der schmalen Treppe, über die man aus Ingas Wohnung direkt in die obere Etage kam.
    Sie wollte zu ihrer Mommy.
    Sie wagte nicht zu rennen und stand gar nicht erst
auf. Ihre Beine fühlten sich so seltsam an, als wären ihre Knochen aus Gelee. Deshalb robbte sie lautlos schluchzend auf dem Bauch den Korridor hinauf. Zu ihrem Entsetzen sah sie jetzt nicht nur den einen Schatten wieder, sondern inzwischen sogar zwei. Einer öffnete die Tür von ihrem Zimmer, und der andere ging in den Raum, in dem ihr Bruder schlief.
    Wimmernd zwang sie ihren Körper durch die Tür des Schlafzimmers der Eltern. Sie hörte ein Geräusch, ein dumpfes Pochen, und presste ihr Gesicht fest in den Teppich, als ihr Magen sich zusammenzog.
    Dann gingen die Schatten wieder an der offenen Tür vorbei. Sie sah sie, und sie hörte sie. Obwohl sie sich bewegten, als ob sie tatsächlich nur Schatten wären. Nicht ein mörderisches Menschenpaar.
    Zitternd kroch sie weiter, an Moms Sessel und dem kleinen Tisch mit der bunten Lampe vorbei. Bis ihre Hand durch etwas Warmes, Nasses glitt.
    Sie zog sich am Bett der Eltern hoch und starrte auf ihre Mom und ihren Dad. Wegen all des Blutes war von ihnen kaum noch etwas zu erkennen.

1
    Mord war immer eine Beleidigung, und zwar seit der erste Menschenschädel von der ersten Menschenhand eingeschlagen worden war. Doch der blutige, brutale Mord an einer ganzen Familie in ihrem eigenen Haus, in ihren eigenen Betten war eine andere Form
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