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In Den Armen Der Finsternis

Titel: In Den Armen Der Finsternis
Autoren: Marjorie M. Liu
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starrte den Priester an. Vater Lawrence wirkte nicht mehr so korpulent oder ungeschickt, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Er hatte abgenommen und seine Wangen waren nicht mehr so weich. Missmutig kniff er die Augen zusammen. »Und du?«, wollte Killy wissen. »Was für ein Ärger wartet auf dich? Du kannst doch nicht dorthin zurückgehen, du kannst nicht in die Kirche zurück.«
    Vater Lawrence zögerte, riss seinen Blick erneut von ihr los und sah von Jack zu Grant. Schließlich landete sein Blick auf mir. Er wollte etwas sagen, aber Killy kam ihm mit einem kurzen, gereizten Stöhnen zuvor und schüttelte den Kopf. »Nein, das ist albern.«
    Der Priester seufzte. »Halte dich aus meinen Gedanken fern, bitte.«
    »Dann bleib du auch aus meinen weg!«, fuhr sie ihn an, aber ihr Zorn schlug unvermittelt in Schmerz um. »Himmel, mein Kopf!«
    Vater Lawrence starrte sie hilflos an. Er wollte schon nach ihr greifen, hielt inne, starrte auf seine Hände, zog sie dann aber zurück. Das heißt, er versuchte es. Killy packte kurz sein Handgelenk und zuckte dann zurück, als hätte sie sich verbrannt. Beide schienen zu brennen. Byron stand neben mir und
beobachtete die junge Frau mit seinen dunklen, ruhigen Augen. Ich fuhr ihm zärtlich durchs Haar. Er riss seinen Blick von Killy los und sah mich an.
    »Es fängt gerade erst an, hab ich recht?«, wollte Byron leise wissen. Meine Hand glitt von seinem Kopf zur Schulter. Es war meine rechte Hand, die von der Rüstung bedeckt war. Und mein Herz füllte sich mit Trauer und Entschlossenheit. Ich wollte ihm sagen, dass alles okay sei, zögerte jedoch und schluckte schwer. Ich rang nach Worten, suchte etwas, was ich ihm geben konnte. Bis Byron schließlich sanft die Hand hob und meine berührte. Als wäre er derjenige, der mich beruhigen müsste.
    »Du bist auch nicht allein«, sagte er.
    Mir stockte der Atem. Byron entfernte sich von mir und ging zur Couch, wo er sich zwischen Killy und Vater Lawrence setzte. Und sofort tätschelte die junge Frau seine Hand und seufzte. Während im Fernsehen Cheers weiterging.
    Ich brauchte unbedingt Abstand. Ich ging in die Küche und lehnte mich an den Tresen, während ich ins Wohnzimmer starrte, wo all jene Leute waren, die in meinem Leben eine Rolle spielten. Mein Nomadenleben fing an, Wurzeln zu schlagen.
    Grant kam zu mir. Mary blieb zurück, beobachtete ihn und wurde selbst wiederum von Jack beobachtet. Er musterte sie und die anderen, während er die Faust auf seinen Bauch presste, als hätte er Schmerzen. Er wirkte sehr alt und sehr allein - und es brach mir fast das Herz. Es schmerzte mich noch mehr mir vorzustellen, dass meine Großmutter denselben Ausdruck auf ihrem Gesicht hatte, als sie in einem Schlafzimmer in Paris gesessen hatte. Die Zeit, das wurde mir klar, war nur ein dünner Schleier, der dünnste von allen, aber dieses Wissen nützte mir nicht viel. Meine Großmutter und Jack würden sich nie
mehr wiedersehen. Er würde weiterleben, wie er schon nach ihrem Tod gelebt hatte - und nach dem seiner Tochter. Und nach meinem, wenn die Zeit dafür gekommen war.
    Grant drängte sich an mich und lächelte mich bitter an. »Glaubst du, dass wir den Morgen noch erleben werden?«
    Ich küsste seine Schulter. »Die Chancen stehen ganz gut. Aber bis dahin werde ich verschwunden sein.«
    Grant zuckte zusammen, sein Herz zitterte in meinem Körper, als würden sich unsere Pulsschläge vermischen und einen Moment lang doppelt so stark schlagen. Dieses Gefühl ließ mich schwanken, aber nur wegen der Verblüffung, die ihm folgte. Es war aber nicht meine Verblüffung, sondern seine.
    Ich ergriff sein Sweatshirt und lehnte mich an ihn, mit derselben Dringlichkeit, die ich auch empfunden hatte, als ich ihn aus dem Eis befreit hatte. Es wirkte so surreal, wenn ich jetzt daran dachte. Eis, Männer mit Schwingen - und Tod. Es war doch wie ein Traum.
    »Ich meine«, flüsterte ich heiser, während ich ihm in die Augen sah, »dass ich diese Kreatur jagen muss. Ich werde zurückkommen. Ich verlasse dich nicht. Du hast mich jetzt am Hals.«
    »Ich weiß.« Auch er klang etwas heiser und strich mit dem Daumen liebkosend über meine Mundwinkel. »Ich war nur nicht sicher, wie du das empfindest. Was zwischen uns ist, hat sich jetzt verändert, Maxine.«
    »Tatsächlich?«, fragte ich ihn. »Das glaube ich nicht.«
    Grant schloss die Augen und legte seine Stirn gegen meine. Ich hörte den Fernseher hinter uns, leise Stimmen, aber genauso gut hätte es auch
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