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In Den Armen Der Finsternis

Titel: In Den Armen Der Finsternis
Autoren: Marjorie M. Liu
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nachzudenken, weil ich vor dem Schlafzimmer ein unverkennbares Klicken hörte. Hitze durchströmte mein Herz, mein ziehendes, schmerzendes Herz, und ich setzte mich mühsam auf, als die Tür aufgestoßen wurde und goldenes Lampenlicht in den Raum fiel.
    Grant humpelte ins Schlafzimmer. Auf der Schwelle blieb er kurz stehen und sah mich an. Er war bleich, aber nicht so bleich wie damals in jenem Eissarg. Sondern er hatte einen gesunden Ausdruck in den Augen, den ich schon seit Tagen nicht mehr bei ihm gesehen hatte. Er stützte sich zwar schwer auf den Stock, sonst aber hielt er sich gerade und wirkte einigermaßen kräftig. Selbst vom Bett aus konnte ich mein Shampoo in seinem feuchten Haar riechen. Er trug eine weite, schwarze Hose und ein dunkelgrünes Sweatshirt. Um seinen Hals hing die Kette mit dem goldenen Medaillon seiner Mutter.

    Als er mich ansah, durchströmte mich eine warme Woge, die sich zwischen uns ergoss und so stark und real wirkte, dass ich unwillkürlich die Luft vor mir berühren wollte. Ich erwartete fast, ein solides Band zwischen unseren Körpern zu ertasten. Grant lächelte schwach, und ein Puls regte sich in meiner Brust, schlug im Echo seines Herzschlags.
    »He«, sagte er und kam näher. »Ab unter die Decke!«
    Ein Schatten tauchte hinter ihm auf. Mary. Ihr weißes Haar stand wie immer wild ab, sie trug ein anderes Sackkleid, das mit gigantischen, orangefarbenen Katzen bedruckt war. Nur hatte sie diesmal einen breiten Ledergürtel um die Taille gebunden, einen dieser massiven Gürtel, die Männer tragen, um ihren Rücken zu stützen, wenn sie schwere Dinge heben müssen. Er wirkte irgendwie altmodisch. Vielleicht hatte sie ihn im Keller zwischen den alten Geräten gefunden. Aber er betonte ihre schlanke Gestalt. Sie hatte eine lange, weiße Weste über ihre schmalen Schultern gelegt, die wie ein Umhang aussah. Es hätte lächerlich wirken können, aber an ihr sah es einfach nur wunderbar passend aus. Sie kam mir wie eine Kämpferin vor. Ich konnte den Unterschied nicht erklären, vielleicht lag es auch an ihrer Haltung oder an den Augen, die so glitzerten, als tanzten wirkliche Lichter hinter ihren Pupillen. Das verlieh ihr eine verrückte Intensität, die ebenso unberechenbar erschien wie Blitze.
    »Ihr seid jetzt gebunden«, flüsterte sie, während sie mich betrachtete. »Flüsse, so golden wie die Sonne.«
    »Gebunden«, wiederholte ich und legte meine Hand über mein Herz.
    »Wir beide«, erklärte Grant und setzte sich auf den Rand des Bettes. Er legte seinen Gehstock zu Boden und beugte sich vor, um die Decke um meine Schultern zu legen. Zee spähte um
den Flanellrand herum, und seine roten Augen glühten. Rohw und Aaz ließen sich in Grants Schoß rollen und zogen ihre Teddybären hinter sich her, während sie ihre Köpfe an seinem Arm rieben, wie tödliche, mit rasiermesserscharfen Waffen bewaffnete Katzen. Dek und Mal zirpten ein leises Willkommen, das dann in den harmonischen Gesang von Heart’s Tall, Dark, Handsome Stranger überging.
    »Goldenes Licht«, fuhr er fort und suchte meinen Blick, während er die Jungs unter ihren winzigen Kinnen kraulte. »Du hast eine Verbindung zwischen uns geschaffen.«
    »Es war auch notwendig«, erwiderte ich. Ich wusste nicht, ob es ihm missfiel, aber als ich es sagte, beugte er sich vor und legte seine Hand auf meinen Nacken. Er zog mich an sich, drückte mich an seine Schulter und an seine Brust. Ein Stromschlag schien über meine Haut zu laufen, und zwischen uns blitzten in der Dunkelheit statische Funken auf. Ich lehnte mich gegen ihn, und er drückte mich so fest an sich, dass ich kaum atmen konnte. Damit sagte er mir alles, was Worte nicht ausdrücken konnten.
    »Du hättest bereits vor langer Zeit sterben sollen«, erklärte Jack Grant gelassen. »Aber du bist stark, und du hast gute Instinkte. Ich dachte, du würdest vielleicht… niemand anderen brauchen. Jedenfalls nicht für die Kleinigkeiten, für die du deine Gabe eingesetzt hast.«
    »Du spielst zu viele Spielchen«, erklärte Grant. »Du hättest es mir sagen sollen.«
    »Was meinst du damit? Hätte er sterben sollen?«, fragte ich Jack, obwohl ich die Antwort doch längst kannte. Ich hatte sie bereits gesehen, sie gespürt, in meinem Bauch.
    »Zwei Herzen sind stärker als eines«, flüsterte Mary, schloss die Augen und legte sich die Hände über die Brust. »Antrea hätte es ihm auch sagen sollen.«

    Grant zuckte zusammen und berührte das Medaillon auf seiner Brust. Ich
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