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In deiner Hand

In deiner Hand

Titel: In deiner Hand
Autoren: Joey Tintenfee Lewis
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Begriff war zu entstehen. Kein einziger Kratzer war mehr zu sehen gewesen. Dabei hatte ich nicht einmal gespürt, dass sich die Wunden schlossen. Kein Brennen, kein Ziehen oder irgendetwas anderes, das darauf hin deutete. Nichts. Die Verletzungen und das abgestorbene Gewebe waren einfach verschwunden. Ich fühlte mich nicht außergewöhnlich stark, aber auch nicht schwach. Wenn man bedachte, wie viel Blut ich verloren hatte, sollte ich womöglich im Koma liegen.
Ich lehnte den Kopf vorsichtig gegen die Wand und begegnete Brians Blick, der vor der Duschkabine kniete und mich betrachtete. „Wie lange hockst du da schon?“
Er zuckte die Schultern. Sein Blick glitt nun ebenfalls über meine nackten Beine. „Wie fühlst du dich?“, wollte er wissen. Seine Stimme drang klar und deutlich durch das Rauschen des Wassers.
„Ganz okay, denke ich.“ Ich befühlte die Beule und verzog das Gesicht. „Ich gehe nicht davon aus, dass bei dir irgendetwas anschwillt, wenn du dir den Kopf stößt?“
Zusammen mit Brians Körper drang ein kalter Windstoß in die Duschkabine. „Bist du verletzt?“
Er ignorierte das fließende Wasser. Schon wieder musste ich an meinen Besuch in dem baufälligen Haus denken, in dem Brian sich in unserer Straße einquartiert hatte.
„Es war anders herum“, murmelte ich und erinnerte mich ganz deutlich daran, dass Brian nackt gewesen und ich angezogen war. Mittlerweile wusste ich auch, wie gut er sich nackt anfühlte. Unaufhaltsam schoss mir das wenige Blut, das ich noch in mir trug, in die Birne. Mein Gesicht glühte wie Feuer. Brian bemerkte meine Blicke gar nicht und tastete sich mit zusammengepressten Lippen zu der kleinen Beule an meinem Hinterkopf vor. Er verzog den Mund.
Wasser floss über das hübsche Gesicht mit der gerunzelten Stirn, brachte das Hemd dazu sich wie eine zweite Haut an ihn zu kleben. Brian sah so sexy aus und merkte es nicht einmal. Ich griff nach dem Hemd und im nächsten Augenblick flogen die Knöpfe durch die Kabine. Brian senkte überrascht den Blick.
„Entschuldige“, hüstelte ich und drückte mich an ihm vorbei aus der Kabine. Blitzschnell wickelte ich mir eines seiner Handtücher um den Körper. Warum war ich plötzlich so schüchtern? Wieso machte mich der Anblick seiner klitschnassen Klamotten so nervös? Und erst dieser Blick, mit dem er mich gerade musterte.
Ich stand kurz davor die Flucht zu ergreifen. Wieder stahl sich das Bild von ihm und Lucinda in mein Bewusstsein. Ich schlang das Handtuch fester um meinen Körper. Was, wenn er wirklich nur zu feige gewesen war, Nägel mit Köpfen zu machen? Was, wenn er wirklich nur einen Fluchtweg gesucht hatte, aus Angst, sich seine wahren Gefühle einzugestehen? Was, wenn ich dieser Ausweg war?
Mir war klar, dass ich mich mit anderen Problemen herumschlagen sollte. Immerhin musste ich Mum unter die Augen treten und ihr irgendwie erklären, woher diese Male kamen. Ich musste endlich Erik zur Rede stellen und einen Plan aushecken, wie wir Malik unschädlich machen konnten. Oder mich einfach Mal mit der Tatsache befassen, was ich jetzt eigentlich war. Ich besaß definitiv zu wenig Blut, um Aufrecht stehen zu können. Dennoch tat ich es. Die Wunden waren verschwunden, ich fühlte mich wie nach einem sehr langen, sehr tiefen Schlaf – ausgeruht und fit. Aber wie ein Vampir fühlte ich mich trotzdem nicht.
So viele Fragen, die ich mir in diesem Moment stellen sollte, so viele Antworten und Auswege, die es zu finden galt. Doch ich stand da, sah Brian an und begann mich zu fragen, ob ich nur als Mittel zum Zweck diente. Ertränkte Brian mit mir wirklich nur seine wahren Gefühle zu Lucinda?
Gut, okay. Er hatte sie fast erwürgt, trotzdem ließ mich dieser Gedanke einfach nicht los. Vielleicht tobte in jenem Augenblick einfach nur der Sinn nach Gerechtigkeit in ihm. Möglicherweise war es einfach seine Art, Recht walten zu lassen. Doch hätte er sie wirklich getötet? Wäre er in der Tat dazu in der Lage gewesen? Hätte ich mich nicht eingemischt, wie weit wäre er gegangen?
Brian stellte das Wasser ab und trat aus der Kabine. Angst flatterte in meiner Brust. Angst vor meiner eigenen Reaktion. Ich wollte niemanden mehr verletzen. Nicht mit Worten, nicht mit Taten.
Ich atmete viel zu schnell, spürte bereits leisen Schwindel. Brian stand da und schien nicht zu wissen, was er machen sollte. Ich musste nur reagieren, worauf auch immer.
„Wie alt ist sie?“, hörte ich mich fragen.
Brian zog die Augenbrauen hoch.
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