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In deinem Schatten

In deinem Schatten

Titel: In deinem Schatten
Autoren: Barbara Hambly
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Boden. Ihr brannten die Augen und alles um sie herum verschwamm. Sie kniete sich neben die beiden hin. “Steht auf! Bitte, steht auf!”
    Plötzlich tauchte eine dunkle Gestalt aus den Rauchschwaden neben ihr auf und half Phil auf die Beine. Als Maddie sich keuchend und unfähig, etwas zu sagen, Tessas Arm um die Schulter legte und sie hochzog, hörte sie, wie jemand ihr etwas zurief. Ihr kam es so vor, dass es wie “Hier entlang …” klang, doch sicher war sie sich nicht. Inmitten der Flammen konnte sie Phils Umrisse und die seines Retters erkennen, die dem Bindfaden folgten. Sie stolperte den beiden hinterher.
    Als sie die Treppe weiter hinunter rannten, merkte Maddie, dass auch die unteren Stockwerke bereits in Flammen standen. Von fern war das Heulen von Sirenen zu hören. Sie konnte nichts mehr sehen, sondern orientierte sich nur am Treppengeländer, das sie nicht loszulassen wagte. Ab und zu sah sie im roten Feuerschein die beiden Gestalten vor sich und hörte Phil husten.
    Er atmet noch, dachte sie.
Er lebt noch
.
    Lieber Gott, lass ihn nicht sterben.
    Sie sah kurz Tessa neben sich an, konnte in den schwarzen Rauchschwaden aber nicht richtig erkennen, wie es ihr ging. Nur manchmal spürte sie, wie das Mädchen versuchte, ein paar Schritte selbst zu gehen, um sie zu entlasten. Doch dann sank Tessa wieder mit vollem Gewicht auf sie und rang nach Luft. “Halt durch”, keuchte Maddie. “Bitte, halt durch …”
    Unten sah sie das Licht von Suchscheinwerfern, das von der Straße in die Lobby im Erdgeschoss fiel und sich mit dem Feuerschein von oben vermischte. Obwohl sie bereits den letzten Treppenabsatz erreicht hatte, kam ihr das Ächzen und Knirschen von Stemmeisen im Holz des Türrahmens, das Durcheinander von Stimmen und Rufen immer noch weit weg vor.
    Die dunkle Gestalt, die Maddie vorangegangen war, blieb am Fuß dieser Treppe stehen, setzte Phil ab und lehnte ihn mit dem Rücken an die Wand. Maddie ließ Tessa nun ebenfalls zu Boden gleiten, stützte sich mit einer Hand an der Wand ab und holte keuchend Luft für die letzten paar Stufen. Sie wandte den Kopf, um dem Mann, der ihr geholfen hatte, etwas zuzurufen …
    Es war Sandy.
    Sandy, bevor Alkohol und Drogen aus ihm einen Menschen gemacht hatten, den er selbst verachtete. Sandy – nicht so, wie sie ihn zuletzt gesehen hatte, als er auf dem Metalltisch im Leichenschauhaus gelegen hatte, sondern so, wie er war, als sie ihn zum ersten Mal getroffen hatte: mit einem verschmitzten Lächeln unter seinem Schnurrbart und dem schelmischen Funkeln in den dunkelsten Augen, die Maddie jemals gesehen hatte. Sandy, so, wie er immer gehofft und sich gewünscht hatte zu sein.
    Er lächelte sie an und streckte ihr seine Hand entgegen.
    Angesichts der ungeheuren Kräfte und Energien, die im Raum herumschwirrten – und angesichts der halb-materialisierten Geisteswesen, die durch Glendower so lange am Leben erhalten worden waren – wurde Maddie klar, dass Sandys Auftauchen sie eigentlich nicht hätte überraschen sollen. Natürlich würde Sandy einen Weg finden, ihr als Geist oder Energie zu Hilfe zu kommen und sich auf diese Weise dafür zu revanchieren, dass sie ihm fast zehn Jahre lang immer wieder aus der Patsche geholfen hatte. Heute hatte er ihr beigestanden, das Leben jenes Mannes zu retten, den sie liebte. Auch als Sandy noch gelebt hatte, fiel Maddie nun ein, war er immer großzügig gewesen.
    Sie nahm seine Hand. Wie Lucius Glendowers Hand war sie kräftig und fest, und Maddie spürte auch die Zartheit wieder, mit der Sandy sie immer berührt hatte. “Danke”, sagte sie. Sie empfand weder Furcht noch Scheu. Nur Freude, ihn zu sehen … und Glück darüber, dass es ihm gut ging.
    Er sah kurz zu Phil hinunter, dann wieder zu ihr und grinste sein typisches Sandy-Grinsen. Dann trat er zu ihr und küsste sie ganz sanft auf den Mund. Sein Schnurrbart kitzelte genauso, wie es immer gewesen war.
    Schließlich drehte er sich um, machte einen Schritt die letzte Treppe hinunter – wie der Narr, der mit einem Bein in den Abgrund tritt – und löste sich in Rauch und Finsternis auf.
    Als Maddie am nächsten Nachmittag in ihrer Wohnung aufwachte, war Diana bei ihr. Maddies Erinnerungen an die Notaufnahme im Roosevelt Hospital waren undeutlich und durcheinander. Der Grund dafür war sicherlich der Schock, den sie davongetragen hatte, doch sie nahm an, dass es auch an den Medikamenten lag, die ihr die Rettungsleute verabreicht hatten, während Phil und Tessa in
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