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In deinem Schatten

In deinem Schatten

Titel: In deinem Schatten
Autoren: Barbara Hambly
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feuchte Tücher gewickelt und mit Wasser gekühlt worden waren. Einige wenige Szenen hatte sie allerdings – wie einzelne Bilder eines Films, an den sie sich insgesamt nur vage erinnerte – klar und deutlich vor Augen: Wie Phil sich irgendwann auf die Ellbogen gestützt, aufgesetzt und benommen “Wäre es nicht billiger, wenn wir uns ein Taxi nähmen?” gesagt hatte … Und dass Tessa später im trostlosen Wartezimmer der Notaufnahme neben ihr gesessen hatte, während die Krankenschwestern versuchten, die Patienten nach Dringlichkeit und Art der Verletzungen – Unfälle, Schusswunden, Berufsverletzungen – zu sortieren. Eine typische Nacht in New York …
    Nachdem die Sanitäter Phil und Tessa in einen Rettungswagen verfrachtet hatten und Maddie in der Nische vor der Tür des Owl Café Schutz vor der Kälte gesucht hatte, war das Glendower Building – genau wie der einstürzende Turm – in Flammen aufgegangen und in sich zusammengefallen.
    “Sie haben Phil über Nacht im Krankenhaus behalten.” Diana trug einen Teller mit Kebab und Sarigi Burma vom Kühlschrank zu Maddies Bett. “Tessa ist zurück zum Glendower Building gegangen. Gemeinsam mit Charmian Dayforth versucht sie die Feuerwehrleute zu überreden, sie in den Trümmern nach den Unterlagen des Dance-Floor-Büros suchen zu lassen. Ich glaube, sie ist eine der wenigen Ballettschülerinnen, die helfen will. Alle anderen sind offenbar schon dabei, sich nach Örtlichkeiten umzusehen, wo sie für das morgige ABA-Vortanzen trainieren können.” Dianas ironischer Unterton verriet, was sie von so viel künstlerischem Ehrgeiz hielt. “Das Gebäude ist praktisch nur noch Schutt und Asche.”
    “Sehr gut”, sagte Maddie. “Es hätte schon vor hundert Jahren von der Bildfläche verschwinden sollen. Hoffen wir, dass es diesmal endgültig ist.”
    Sie erinnerte sich an eine Interpretation beim Tarot, die besagte, dass alle Gefangenen befreit würden, wenn der Turm einstürzte. Lucius Glendower und die Geister all der Mädchen, deren Seelen seiner Gier Nahrung gegeben hatten, würden frei sein. Frei für ihre letzte Reise und für all das, was auch immer danach für sie kommen mochte.
    Sie setzte sich im Bett auf und rieb sich den Nacken und die Arme. Dort, wo Glendower sie gebissen hatte, hatte man sie mit Pflastern versorgt, und an den Stellen, wo Phil sie an den Armen gepackt hatte, waren ein paar blaue Flecken zu sehen. Ihr Körper fühlte sich an, als wäre sie eine lange Treppe hinuntergestürzt, und ihr Hals tat unbeschreiblich weh. “Geht es Phil gut?”
    “Sieht so aus, ja.” Diana sah zwischen den Vorhängen, die weit zur Seite gezogen waren, auf die Uhr im Wohnzimmer. Mit ihrem grauen Haar, das zu einem Knoten hochgesteckt war, und den kräftigen Unterarmen, die unter den hochgekrempelten Ärmeln ihres selbst gewebten Kleides hervorragten, sah sie wie ein weiblicher, sehr mütterlicher Samurai aus. “Ich war heute Morgen im Roosevelt Hospital und habe mit ihm geredet. Er hat sich mehrmals nach dir und Tessa erkundigt. Er meinte, dass Glendower von seiner Seele Besitz ergriffen hätte und hatte Angst, dass du ihm das nicht verzeihen kannst.”
    “Ich hoffe, du hast ihm gesagt, dass alles in Ordnung ist.”
    “Ich habe ihm erklärt, dass du genügend Erfahrung mit übernatürlichen Phänomenen hast und daher verstehst, was passiert ist. Er meinte: ‘Ich glaube eher nicht, dass es eine Erfahrung war, die man öfter machen möchte, aber ich bin froh, dass sie es mir nicht übel nimmt.’ Er hat ziemlich mitgenommen gewirkt.”
    “Tja, immerhin hat er den Beweis bekommen, dass die Welt nicht so gestrickt ist, wie er es immer geglaubt hat”, sagte Maddie. Sie nahm ein Stück Hähnchen von einem Grillspieß und hielt es Baby vor die Nase. Die Katze schnüffelte eine Weile, ließ sich dann aber gnädigerweise doch herab zu kosten. “Tessa ging es ähnlich … und mir eigentlich auch. Es war zwar nicht so, dass ich nicht geglaubt hätte, dass es so etwas wirklich gibt, aber … Man mag davon lesen, man mag davon gehört haben und sich sogar mit Leuten, die Erfahrungen mit der ‘anderen Seite’ gemacht haben, unterhalten haben, nur …” Sie schüttelte den Kopf, als sie an das Feuer, die Finsternis und den Rauch dachte und ihr einfiel, mit welcher Brutalität Lucius Glendower sie gepackt hatte. Auch Sandy fiel ihr ein, und wie er ihr zum Abschied zugelächelt hatte.
    Sie sah schüchtern zu ihrer Lehrerin auf und fragte: “Hat er sonst noch
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