Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In Blut geschrieben

In Blut geschrieben

Titel: In Blut geschrieben
Autoren: Maxime Chattam
Vom Netzwerk:
Schädel und bohrte sich in das Holz der Tür.
    Der Körper des Monsters blieb einen Augenblick in der Schwebe, bis er leblos in sich zusammensackte.
    Der Knall riss Rachel aus ihrer Benommenheit. Sie sah Brolin an, die Muskeln angespannt und so verwirrt, dass sie weder weinen noch schreien konnte.
    Die Hand, die Caliban gepackt hatte, verschwand in dem Loch und eine Frauenstimme wimmerte: »Joshua? Hol mich hier raus …«
    Annabel brach in Schluchzen aus.

75
    Jack Thayers Leiche wurde in einem Kühlraum im Untergeschoss gefunden. Die Vorräte, die dort lagerten, hätten ausgereicht, um zehn Menschen ein Jahr lang zu ernähren.
    Vorausgesetzt, es hätte sich um Kannibalen gehandelt.
    Das FBI stellte fest, dass es insgesamt vierunddreißig Tote waren.
    Thayer hatte mit Eric Murdoch reden wollen und war in die Küche gegangen, wo ihn dieser mit einem dreißig Zentimeter langen Messer erwartete. Ein Stich in die Kehle hatte die Halsschlagader und die Stimmbänder durchtrennt, ein zweiter den linken Lungenflügel durchstoßen und ein dritter und vierter das Herz getroffen.
    Es fanden sich keine Hinweise darauf, was Caliban und seine Bande in dem Lagerhaus in Red Hook gemacht hatten. Es blieb unklar, warum sie es gemietet hatten, man konnte nur vermuten, dass hier makabere Orgien stattgefunden hatten.
    Die unterirdischen Gänge, die Murdoch nach eigenem Gutdünken in einen Vorratskeller verwandelt hatte, waren dagegen äußerst aufschlussreich. Kerker-, Lager- und Tranchierräume, dazu die Höhle, in der er seine Opfer zur körperlichen Ertüchtigung graben ließ – alles war bestens durchdacht. Er hatte die ehemaligen Turbinenräume des Morris-Kanals raffiniert ausgestattet. Man fand auch eine Hifi-Anlage, deren Lautsprecher in den Wänden verborgen waren. Sie diente dazu, eigenartige Geräusche zu verbreiten, etwa Knurren, Kettenrasseln, kurz alles, um eine unheimliche Atmosphäre zu schaffen und die Widerstandskraft seiner »Pensionäre« weiter zu brechen.
    Hinter einem Stapel Zeitschriften wurde ein abgegriffenes Notizbuch gefunden, das die Federals besonders interessierte. Eine Art Tagebuch, in dem ganze Passagen unterstrichen waren.
    Das half den FBI-Agenten, die Persönlichkeit des Mörders besser zu verstehen. Im Gegensatz zu den meisten Serienkillern war Murdoch nie von seinen Eltern oder Verwandten misshandelt worden. Sein Vater war zwar streng, nicht aber gewalttätig gewesen. Nach der Scheidung der Eltern wuchs Eric bei seiner Mutter, einer freundlichen, wenn auch realitätsfremden Frau auf. In der Schule hatte er fast keine Freunde. Er war cholerisch, starrköpfig und egozentrisch. Er wollte alle beherrschen und befehligen. Schnell machte ihn sein Verhalten zum Außenseiter, seine Kameraden fürchteten und mieden ihn. Im Gegenzug hasste er die anderen und kapselte sich immer mehr ab. Woher rührt dieses Streben nach Macht und Dominanz, diese Veranlagung, die ihm von klein auf eigen war? Die moderne Verhaltensforschung vermag solche Phänomene bislang nicht zu erklären, es ist ein Mysterium, das die Persönlichkeit der Serienkiller umgibt.
    Drei Seiten, in einer bald breiten und ausladenden, bald eng gedrängten Schrift verfasst, lieferten den Federals, was sie vor allem suchten: einen Grund für diesen Wahnsinn, den sie den Medien präsentieren konnten.
    In der Junisonne spielte Eric allein auf der Straße. Er zerquetschte Ameisen oder ertränkte sie, wie es gerade kam. Ganz auf die Insektenkolonne konzentriert, bemerkte er nicht, dass er ihnen bis an eine Kreuzung gefolgt war. Es war ein Wohnviertel, in dem sonntagmorgens wenig Verkehr war. Er kniete auf dem Asphalt und hob den Kopf erst, als das Motorrad schon ganz nah war. Es kam nach der Kurve in vollem Tempo auf ihn zugerast. Der Fahrer riss den Lenker herum, konnte dem Kind gerade noch ausweichen und stieß mit dem Vorderrad an den Bordstein. Sein Körper wurde in die Luft geschleudert, prallte gegen einen Baumstamm und schlug dann auf dem Gehsteig auf. Nachdem das ohrenbetäubende Scheppern von Metall verhallt war, sah Eric all das Blut. Er sah das rote pochende Fleisch, die purpurnen Geysire, die daraus hervorsprudelten. In seinem Tagebuch schrieb er, er habe die Szene später oft wieder durchlebt und diesen roten Blutstrahl gesehen, der in den ruhigen blauen Himmel schoss.
    Der Fahrer war nur noch ein Haufen warmen, zuckenden Fleisches. Und all das war seinetwegen passiert. Er hatte es verschuldet.
    Eric ging nach Hause und erzählt nichts. Es
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher