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In Blut geschrieben

In Blut geschrieben

Titel: In Blut geschrieben
Autoren: Maxime Chattam
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ihr Angreifer auch noch an ihrem Schädel herumgeschnipselt, um ihr die Kopfhaut abzuziehen. Hinzu kommt noch eine geheimnisvolle Tätowierung an der Schulter, und was der Vergewaltiger ihr sonst noch angetan haben kann … Verstehen Sie, worauf ich hinaus will?«
    Dr. Darton blinzelte.
    »Ich will nicht den Teufel an die Wand malen«, fuhr Annabel fort, »doch allem Anschein nach haben wir es mit einem äußerst gefährlichen Individuum zu tun. Verstehen Sie mich? Möglicherweise spaziert in diesem Moment ein Verrückter durch die Straßen von Brooklyn. Ich übertreibe sicherlich, doch ich kann nicht warten.«
    Sie tauchte ihren Blick in den ihres Gegenübers und fügte hinzu: »Es ist sehr wichtig.«
    Verlegen begann der Arzt an seinem Schlüsselbund herumzuspielen.
    »Ich verstehe. Aber es ist noch zu früh für einen Besuch. Warten Sie noch ein Weilchen, sobald ich grünes Licht vom Psychologen habe, rufe ich Sie an, okay?«
    Sie wollte gerade etwas erwidern, als ihr Handy zu vibrieren begann. Sie machte Dr. Darton ein Zeichen des Einverständnisses und nahm das Gespräch an.
    »Hier ist Jack. Wo bist du?«
    »Immer noch im Krankenhaus. Das Mädchen wird sich körperlich wieder erholen, doch sie hat den Mund noch nicht aufgemacht. Sie ist total mitgenommen. Andererseits hat mich Woodbine angerufen. Es passt ihm nicht, dass ich an diesem Fall dran bin. Er meint, mein persönliches Engagement könne den Ermittlungen schaden, du kennst ja seine Art zu denken. Er wartet auf unsere ersten Schlussfolgerungen und will dann Fremont und Lenhart den Fall übergeben. Stell dir das vor. Gloria wird alles in den Sand setzen, sie hat so viel Takt wie ein Panzer!«
    »Vergiss Gloria, ich habe Woodbine in seinem Büro aufgesucht. Er hat uns grünes Licht gegeben. Dir und mir.«
    Um zu erreichen, dass der Captain seine Entscheidung rückgängig machte, hatte Jack sicher all seine Trümpfe ausspielen müssen.
    Jack, du bist der Beste, dachte Annabel. Sie verdankte ihm unendlich viel. Vor allem seit dem Verschwinden von Brady war er immer für sie da, immer aufmerksam, zu jeder Tages- und Nachtzeit.
    »Also hör mir gut zu«, fuhr er fort. »Ich habe die Vermisstenstelle kontaktiert und ihnen eine Personenbeschreibung unserer jungen Dame gegeben. Jetzt warte ich auf eine Flut von Faxen mit all den Frauen, auf die die Beschreibung zutreffen könnte. Ich sortiere dann die von Brooklyn aus, mal sehen, was dabei rauskommt. Doch ich rufe dich eigentlich aus einem anderen Grund an.«
    Annabel trat ein paar Schritte zur Seite, um einen besseren Empfang zu haben. Vom Fenster aus sah sie eine Ambulanz, die einen Leichensack im Hof ablud.
    »Ich hatte eben das Labor am Telefon«, sagte er. »Es war Harry DeKalb, der bestätigt haben wollte, was ich ihm heute Morgen mitgeteilt habe. Sag mal, Anna, die Frau, die wir gefunden haben, ist doch eher ein Latino-Typ, oder?«
    »Ja, dunkle Haut und Augenbrauen, das trifft also zu. Worauf willst du hinaus?«
    Die Antwort ließ auf sich warten; sie hörte nur noch Jack Thayers Atem, sein Zögern.
    »Jack?«
    »DeKalb wollte sichergehen, dass ich mich bei der Beschreibung des Mädchens nicht geirrt habe.«
    »Warum? Wieso besteht er darauf?«
    »Die Haare, Anna. Der Skalp, den ich ihm gebracht habe. DeKalb sagt, die Haare seien dunkel, weil sie gefärbt sind, dass sie eigentlich aber rot seien, hellrot.«
    Es folgte ein erneutes kurzes Schweigen, bevor Thayer hinzufügte: »Es sind die Haare einer anderen Frau.«

5
    In New York hatte seit Winterbeginn erst eine Woche richtig Schnee gelegen, der anschließend in eine transparente Masse von zweifelhaftem Braun übergegangen war, ehe er ganz verschwand. Als Annabel den Prospect Park West hochfuhr, tanzten vor ihrer Windschutzscheibe erneut die ersten Flocken, die, kaum dass sie den Boden berührten, schon schmolzen. Auch bei Tageslicht wirkte die Litchfield Villa noch exotisch, wenn auch weniger abweisend als bei Nacht. Annabel stellte ihren Wagen ganz in der Nähe ab. Sie brauchte nur fünf Minuten, um Stanley Briggs zu finden, der eben erst von seiner kurzen Siesta aufgewacht war, die er gehalten hatte, um sich von der turbulenten durchwachten Nacht zu erholen.
    »Briggs, haben Sie zwei Minuten Zeit für mich?«, fragte sie mit einem freundlichen Lächeln, der besten ihr bekannten Waffe, wenn man etwas erreichen wollte.
    Vor dem verschlafenen Gesicht des Parkwächters fuhr Annabel fort: »Ich möchte Sie bitten, mir zu erklären, wo genau Sie diese
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