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In aller Unschuld Thriller

In aller Unschuld Thriller

Titel: In aller Unschuld Thriller
Autoren: Tami Hoag
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ihn unter Druck gesetzt, früher in Pension zu gehen. Sie zweifelten daran, dass der Nutzen, den er noch für die Polizei haben konnte, das Risiko wert war. Falls er eines Tages ausrastete und irgendeinen armen Teufel zu Tode prügelte oder seine Waffe zog und in die Menge feuerte, würde er die öffentliche Hand Millionen von Dollar an Schadenersatzforderungen kosten.
    Schweine. Nicht mehr lange, und er hätte seine dreißig Jahre hinter sich und würde die volle Pension bekommen. Er hatte gute Arbeit geleistet und war stets pflichtbewusst gewesen. Und jetzt wollten sie ihn um einen Teil seiner Pension betrügen, weil er ihnen auf einmal unbequem geworden war.
    Nein. Er würde hinter diesem verdammten Schreibtisch sitzen bleiben, zu dem Seelenklempner gehen und die Wand anstarren, die Zeit würde langsam vergehen, seine Laufbahn das geplante Ende nehmen und er seine volle Pension einstreichen und … und … Nichts weiter.
    Was ihn in den letzten Monaten aufrechtgehalten hatte, war der Haas-Fall, der bevorstehende Prozess gegen Karl Dahl. Und deshalb erhob er sich jetzt von seinem Schreibtisch, ging über die Straße und betrat das Gerichtsgebäude. Er postierte sich an einer Stelle, von der aus er die Anwälte sehen konnte, wenn sie das Richterzimmer verließen.
    Es hieß, Carey Moore würde darüber entscheiden, ob Karl Dahls frühere Straftaten in die Beweisaufnahme eingehen durften oder nicht. Logan würde mit allen Mitteln darum kämpfen. Sie hatten nicht gerade viele konkrete Beweise gegen Dahl in der Hand. Der Fall war im Wesentlichen auf Indizien aufgebaut – sie wussten, dass Dahl im Haus der Familie Haas gewesen war, dass er an ebendiesem Tag dort gewesen war, dass ihn ein Zeuge beim Betreten des Hauses gesehen hatte, dass er auf dem Telefonhörer einen Fingerabdruck hinterlassen hatte, dass eine Nachbarin sich ein paar Tage vor der Tat bei der Polizei über ihn beschwert hatte.
    Aber Dahl war mit Sicherheit ihr Mann, davon war Stan überzeugt, und auch, dass er die Morde von langer Hand geplant hatte. Möglicherweise hatte er diese Phantasie schon jahrelang mit sich herumgetragen, war die Tat in einzelnen Schritten durchgegangen, hatte sich gegen die extremen Gefühlsreaktionen abgehärtet, die sich bei ihrer Durchführung zwangsläufig einstellen würden, damit er keine Fehler machte. Nichts konnte Stan Dempsey von dieser Überzeugung abbringen.
    Er saß auf einer Bank, schlug die Beine übereinander und wünschte sich, eine Zigarette rauchen zu können. Man fand heutzutage kaum mehr ein Plätzchen, wo man ungestört rauchen durfte. Es war sogar schon der Antrag eingebracht worden, es auch auf der Straße zu verbieten. Ein weiterer Bereich der persönlichen Freiheit, der beschnitten wurde.
    Leute liefen an ihm vorbei den Korridor entlang. Niemand schenkte ihm Beachtung. Er war unscheinbar, ein schmaler grauhaariger Mann in einem ausgebeulten braunen Anzug. Seine traurigen Augen starrten ins Leere.
    Kenny Scott, der Pflichtverteidiger, dem man den Fall von Karl Dahl übertragen hatte, eilte aus dem Zimmer und sah dabei aus wie ein Mann, dessen Hinrichtung ausgesetzt worden war.
    Ihm folgte kurze Zeit später Logan. Logan war eine echte Naturgewalt – groß gewachsen, kräftig, herrisch, voller Zorn. Er hatte die Augenbrauen zusammengezogen und presste die Lippen zusammen. Er ging nach vorne gebeugt, als kämpfe er gegen einen heftigen Wind an.
    Dempsey erhob sich. »Mr. Logan?«
    Einen Moment lang starrte Logan ihn an, dann blieb er stehen und kam ein paar Schritte zurück. »Detective.«
    »Ich habe gehört, dass im Fall Karl Dahl heute eine richterliche Entscheidung gefällt werden soll.«
    Logan blickte weg und machte ein finsteres Gesicht. Er hatte seinen Krawattenknoten gelockert und den Hemdkragen aufgeknöpft. Jetzt schlug er sein offenes Jackett zurück und stemmte die Hände in die Hüften.
    »Sie hat den Fall nicht abgewiesen.«
    »Hätte das denn passieren können?«
    »Hören Sie, Stan, Sie und ich wissen, dass Dahl diese Familie abgeschlachtet hat, aber wir haben nicht gerade viel in der Hand, um das zu beweisen. Sein Anwalt musste den Antrag stellen, die Anklage fallen zu lassen – das ist seine Aufgabe.«
    »Und was ist mit Dahls Vorstrafenregister?«
    Logan schüttelte den Kopf. Er war eindeutig verärgert. »Richterin Moore meint, die einzubringen käme einer Beeinflussung und Vorverurteilung gleich.«
    »Und eines Dreifachmordes angeklagt zu sein ist etwas anderes?«, fragte Stan.
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